Bad Tölz:Ein Meer von Hakenkreuzfahnen

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Die meisten der Ausstellungsstücke sind Leihgaben von Tölzer Bürgern. Sie geben einen guten Eindruck vom Leben in der Stadt bei Kriegsende. (Foto: Manfred Neubauer)

Mit einer lebendigen Ausstellung zum Kriegsende erinnert das Stadtmuseum daran, dass die Kurstadt einst das Zentrum der Nationalsozialisten in der Region war

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Es ist Zeit, sich zu erinnern, an Krieg, millionenfachen Mord, an Zerstörung und Vertreibung: Zum 70. Mal jährt sich heuer das Ende des Zweiten Weltkriegs. Und Bad Tölz erinnert sich. In einer sehenswerten Ausstellung, die zeigt, wie die Propagandamaschinerie der Nazis von der Stadt Besitz ergriff, wie sie Bürger zu willigen Helfern machte und Architektur und Landschaft für ihre Zwecke missbrauchte. In den beiden Räumen der neuen Galerie im Stadtmuseum sind historische Fotografien zu sehen, eine durchlaufende Bilderschau, Ausgaben des "Völkischen Beobachters", die Entnazifizierungsakte eines Bürgers, Modelle für in Tölz geplante Monumentalbauten und private Fotoalben von Soldaten.

Straffe Infotexte und Hinweise auf Sekundärliteratur werden ergänzt durch ausführliche Originalberichte von Zeitzeugen, wie die dramatischen Schilderungen des damaligen Zweiten Bürgermeisters Anton Wiedemann über die vergeblichen Versuche, die Sprengung der Isarbrücke durch die SS zu verhindern. "Ich wollte mit der Ausstellung nicht die pädagogische Keule schwingen, sondern die Tölzer veranlassen, sich einzubringen", sagt Museumsleiterin Elisabeth Hinterstocker. Viel hätten die Bürger beigetragen, die meisten Ausstellungsstücke sind Leihgaben. Oft habe sie beobachtet, dass dadurch eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte einhergegangen sei. "Mir ist wichtig zu zeigen, dass ein System wie der Nationalsozialismus oder ein Krieg nur funktioniert, weil sie von Menschen getragen werden." Genauso wie die Gegenbewegungen, die ebenfalls Menschen brauche, mutige Menschen, wie es sie auch im Isarwinkel gegeben habe.

Viele Facetten werden in der Ausstellung beleuchtet, die nicht trockene Geschichtsaufbereitung ist, sondern einen lebhaften Eindruck von einer Zeit vermittelt, die gar nicht so lange vergangen ist: Die Tölzer Marktstraße in einem Meer von Hakenkreuzfahnen, das heutige Schulsportzentrum an der Peter-Freisl-Straße als Aufmarschplatz für Paraden, das gespenstische Hakenkreuz am Heiglkopf. 1933 wurde das 24 Zentner schwere und zwölf Meter hohe Eisenkreuz dort aufgestellt und zum "Nationalen Dreiklang" erhoben: Der Heiglkopf wurde zum Hitlerberg, der Wackersberger Berg zur Hindenburghöhe, der Blomberg durfte seinen Namen behalten, weil der damalige Reichswehr- und Kriegsminister Werner von Blomberg hieß. Der Altar musste unterhalb des Hakenkreuzes stehen, aber "kaum jemand war zur Einweihung gekommen", heißt es im Infotext. Ein großformatiges Plakat zum "Kreis-Tag der NSDAP" in Bad Tölz vom 23. bis 25. Mai 1941 zeigt anschaulich, was heute nicht gerne gehört wird: Tölz war das Zentrum der NSDAP in der Region. Die Kreisleitung befand sich neben dem Khanturm, in der späteren Flintkaserne wurde 1937 die SS-Junkerschule eröffnet, eine von vier im Reichsgebiet, weil sich die Stadt dadurch wirtschaftlichen Aufschwung und eine positive Außenwirkung erhoffte.

Weniger bekannt dürfte sein, dass sich dort auch ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau befand: Von Mai 1940 bis April 1945 waren knapp 200 Häftlinge in der SS-Junkerschule interniert und mussten Arbeitsdienste leisten. Vom Größenwahn der Nazis zeugen Pläne und drei Modelle für ein "neues Tölz der Bewegung". So sollte am Taubenloch ein monumentales Gemeinschaftshaus der NSDAP entstehen und die Kalvarienbergkirche abgerissen werden. An ihrer Stelle wollten die Nazis ein riesiges Mahnmal errichten, mit einer Freitreppe aus 250 Stufen, beleuchtet und mit beidseitigen Kaskaden. Die Leonhardifahrt sollte zum "Wotansritt" umgewidmet werden. Nichts davon wurde verwirklicht. Die "Adolf-Hitler-Straße" wurde auf Geheiß der Amerikaner bei der ersten Stadtratssitzung im Mai 1945 in Buchener Straße umbenannt, aus der "Straße der SS" wurde die Tegernseerstraße. Geblieben sind das historische Erbe und die Frage nach einem angemessenen Umgang. Mit dieser Ausstellung wird die Stadt ihrer Verantwortung gerecht.

Ausstellung "1945 - Tölz erinnert sich", Stadtmuseum Marktstraße 48, bis zum 19. Mai, geöffnet Di. bis So. 10 bis 17 Uhr

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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