Bad Tölz:E-Bikes, Erdwärme, Biomasse

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Der Strom im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen wird bereits zu 88,5 Prozent regenerativ erzeugt. Dazu trägt vor allem das Walchenseekraftwerk bei. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Landkreis will die Energiewende bis 2035 schaffen. Wie das ehrgeizige Ziel erreicht werden kann, haben die Kreis-Grünen in Bad Tölz mit Experten diskutiert.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Elf Jahre ist es her, seit der Kreistag einstimmig beschlossen hat, die Energieversorgung im Landkreis bis zum Jahr 2035 auf ausschließlich regenerative Quellen umzustellen. 19 Jahre bleiben also noch, um dieses Ziel zu erreichen - und die Uhr tickt. Gefordert sei nun jeder einzelne Bürger, sagte Klaus Koch beim Informationsabend "Energiewende 2035" der Kreis-Grünen am Dienstag im Gasthaus Kolberbräu in Bad Tölz. "Wir müssen die Energiewende persönlich in unseren Köpfen verankern", forderte der Dritte Landrat. Auch Stefan Drexlmeier, Geschäftsführer der Energiewende Oberland (EWO), sprach von einem "gesellschaftlichen Prozess".

Jedes Jahr verbraucht der Landkreis nach Kochs Angaben rund 3300 Gigawattstunden Energie. Knapp die Hälfte davon wird für Wärme benötigt, 36 Prozent für Treibstoff und 17 Prozent für Strom. Lediglich beim Strom sieht es schon ganz gut aus: 88,5 Prozent werden regenerativ erzeugt, vor allem wegen des Walchenseekraftwerks. Dagegen sei der Verkehr "ein harter Brocken", sagte der Dritte Landrat. Um ans Ziel zu gelangen, sei nicht bloß der Umstieg etwa auf E-Autos nötig, sondern ein verändertes Verhalten. Koch zufolge sollten sich die Bürger darauf einstellen, dass sie in ein paar Jahren den samstäglichen Einkauf im Supermarkt nicht mehr mit dem Auto, sondern etwa mit einem E-Bike samt Einkaufskiste erledigen müssen. Erheblichen Handlungsbedarf sieht Koch auch bei der Wärme, die im Landkreis zu 80 Prozent noch immer auf herkömmliche Art erzeugt wird. Sei es die Prozesswärme in der Industrie, sei es die Heizwärme in den Privathaushalten - "da muss ganz massiv etwas passieren."

Damit das 2014 beschlossene Integrierte Klimaschutzkonzept des Landkreises nicht über kurz oder lang in der Schublade verschwindet, wurde der Fachbeirat Energie gegründet. Dem Gremium gehören neben Kreispolitikern wie Koch auch Vertreter von Stadtwerken, Verbänden und Organisationen an, die mit Energie zu tun haben. Mit einem Aktionsplan, in dem zunächst 14 Maßnahmen priorisiert sind, haben man das Klimakonzept "in eine Hierarchie gebracht", so Koch. Zu den Projekten zählen unter anderem der Bau von Solaranlagen auf Kommunalgebäuden oder die stärkere Nutzung von Biomasse, wofür der Landkreis in den nächsten drei Jahren jeweils 40 000 Euro bereitstellt. Zu jedem Vorhaben gebe es einen Verantwortlichen und einen Zeithorizont, "wir haben jetzt einen Fahrplan", sagte der Dritte Landrat.

Das genügt allerdings nicht. Die 21 Städte und Gemeinden im Landkreis seien in ihren Rathäusern, Schulen, Kindergärten und anderen Gebäuden zwar vorbildlich aktiv, sie nähmen damit jedoch nur zwei Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Anspruch, sagte Koch. In der Wärme könnten noch 600 Gigawattstunden regenerativ erzeugt werden, unter anderem durch Geothermie, durch Energievermeidung wären 400 Gigawattstunden zu gewinnen. "Wir müssen massiv Energie einsparen", forderte Koch. Notwendig seien "greifbare Quartiersziele" in den Kommunen, um den Verbrauch im Nahfeld zu senken. Die Gemeinden müssten dazu Energienutzungspläne aufstellen.

Als einen "Aktivisten" und "dezentrale Keimzelle der Energiewende" sieht Geschäftsführer Walter Huber die Tölzer Stadtwerke. Die Umstellung bis 2035 werde betriebswirtschaftlich teuer, volkswirtschaftlich aber von großem Nutzen sein, sagte er. Wichtig sei die Akzeptanz in der Bevölkerung, die rasch wegfalle, wenn 200 Euro auf der Stromrechnung eines Privatkunden für die EEG-Umlage auftauchten. "All das muss fair umgelegt werden." Für Bad Tölz hob Huber hervor, dass ein sorgsamer Umgang mit Energie und ein lokales Fernwärmenetz nötig seien. Mit dem Projekt "Badeteil innovativ" untersuchen die Stadtwerke gerade im Rahmen des Inola-Forschungsprojekts, wie sich das Energiesystem im Kurviertel optimieren lässt.

Auf die regionale Wertschöpfung durch die Energiewende verwies EWO-Geschäftsführer Drexlmeier. In den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau und Miesbach würden jährlich 888 Millionen Euro für Energie ausgegeben. Kämen 60 Prozent der Wärme und 80 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen in der Region, läge die Wertschöpfung grob bei 600 Millionen Euro pro Jahr, sagte er. Das Klimakonzept des Landkreises ist für ihn kein dicker Katalog, den man wieder in den Aktenschrank legt, vielmehr ein Werkzeug, um über die Schritte Verordnen, Planen, Finanzieren, Steuern und Kontrollieren zur Energiewende zu gelangen. Drexlmeier stimmte Huber zu, dass die Bürger mitgenommen werden müssen. Zum Beispiel durch gute Öffentlichkeitsarbeit. Man könne ihnen Kniffe zeige, wie sie Energie sparen. In einem Pilotprojekt in Fischbachau hätten fünf Privathaushalte mit einfachen Mitteln den Stromverbrauch um 26 Prozent gesenkt. "Und damit 200 Euro im Jahr eingespart."

Bedenken äußerte Friedl Krönauer. "Die Energiewende wird die Landschaft verändern", warnte der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz, der 2014 vehement gegen das geplante und später auf Eis gelegte Pumpspeicherwerk am Jochberg gekämpft hatte. Die Frage sei, "ob das dann noch die Landschaft ist, in der wir leben wollen." Bernd-Dieter Kortmann kritisierte, dass der Begriff Ökostrom nicht hinterfragt werde. Reiner Naturstrom sei nur von Greenpeace und drei, vier anderen Anbietern zu bekommen. Dem widersprach Huber: Der TÜV Süd zertifiziere Greenpeace und die Tölzer Stadtwerke gleichermaßen. Auf die Frage eines Zuhörers, wie man die Speichertechnik voran bringen wolle, erwiderte Drexlmeier: "Wir als EWO kümmern uns ständig darum, dass die Sachen, die umgesetzt werden nachhaltig sind." Wo denn im Energiekonzept das konkrete Projekt sei, wollte ein anderer Besucher wissen. Wer ein Haus baue, brauche auch erst einen Plan, so Drexlmeier: "Wir helfen, dass aus dem Plan ein Kran wird, der einen Stein auf den anderen hebt."

Der Diskussionsabend in Bad Tölz soll nicht der einzige bleiben. Weitere Veranstaltungen zur Energiewende planen die Kreis-Grünen in Wolfratshausen und Geretsried. Noch wisse man nicht genau, wie das Ziel bis 2035 zu schaffen sei, sagte Kreissprecherin Barbara Schwendner. Sicher sei: "Es gibt noch viel zu tun."

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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