Bad Tölz:Die Krippe im Heute

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Über allem schwebt die Musik: das Tölzer Krippenspiel im Kurhaus. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Tölzer Hirtenspiel transportiert musikalisch gefühl- und kraftvoll gestaltet eine zeitlose Botschaft

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Im Zentrum der Bühne des Kurhauses steht eine mächtige Kerze: Sie symbolisiert Liebe und Güte, Hoffnung und göttlichen Glanz. Recht viel mehr braucht das Bühnenbild nicht, um die Botschaft des Tölzer Krippenspiels zu transportieren - eines Hirtenspiels, das ohne Krippe und ohne "Stille Nacht" auskommt und dafür eigene Akzente setzt. Ein besonderes Adventssingen unter der musikalischen Leitung von Judith Geißler-Herzog, das am Sonntag zum fünften Mal von der Sing- und Musikschule veranstaltet wurde und in beiden Vorstellungen ausverkauft war.

Der erste Auftritt gehört nicht Maria und Josef, sondern Tod und Teufel: Der Teufel (Sepp Bilgeri) als mephistophelischer Verführer mit rotem Schal. Der Tod als weibliche Figur (Clara Bicanic), bleich und ganz in Schwarz. Der schlitzohrige Hirte Ruapp (Franz Apfel) erinnert an den Brandner Kaspar, und zwei gewitzte Hirtenmadln (Magdalena Wittman und Lisa Mang)sorgen für frischen Wind in der traditionellen Weihnachtsgeschichte, die die soziale Ungerechtigkeit zum zentralen Thema nimmt: Die Kleinen, denen es hinten und vorne nicht reicht und die nichts gegen die Willkür der Großen ausrichten können. Für den Teufel sind sie eine leichte Beute, denn mit "Ehrlichkeit kimmt ma ned weit", sagt der Ruapp. "Moanst, i arbeit mein Lebtag für an Herrn, der aus meiner Arbeit einen Profit rausholt? I mecht mei eigener Herr sein." Da braucht es schon ein bisschen Glück beim Würfelspiel und die eine oder andere Gaunerei.

Für arme Schlucker wie Maria (Maria Bader) und Josef (Matthias Lindmair), denen das nötige "Diridari" fehlt, bleibt die Tür verschlossen. Den Teufel, der zwischen den Figuren umherschleicht, freut's. Gier und Geiz, Hartherzigkeit und Hoffnungslosigkeit sind der Nährboden, auf dem sein Same gedeiht.

Gut 50 Musikanten, Sänger und Schauspieler haben an dieser stimmigen und stimmungsvollen Gemeinschaftsproduktion mitgewirkt, die wieder von Klaus Wittmann inszeniert und geleitet wurde. Er übernahm auch die Sprecherrolle. Der Text des Hirtenspiels stammte wie jedes Jahr von Elisabeth Mayrhofer. Sie stellte die biblische Weihnachtsgeschichte in einen größeren Zusammenhang und verortete moralische Fragen in gesellschaftlich-sozialen Bedingungen. Auch poetische Metaphern flossen in ihren Text: "Todmüde ist die Welt. Sie schließt die Augen vor Not und Tod."

Dennoch verlor sich die Handlung nicht im Abstrakten; sie behielt Bodenhaftung durch die liebenswerten Figuren und den überwiegend bairisch gesprochenen Text. Der Hansl (Johannes Wittmann), der einsilbige und immer müde Bene (Benedikt Wittmann) und vor allem die Hirtenmadln und Buben bereicherten die Handlung mit Humor und liebenswertem Charme. Auch der Teufel war nicht als Furcht einflößender Antagonist des Göttlichen gezeichnet; denn seine Macht ist begrenzt. Menschen wie Maria - für den Teufel ein Albtraum: "Vor deiner Reinheit schüttelt sich mein Pelz."

Am Ende siegen die Liebe und die Hoffnung - in der Inszenierung nicht in Person des göttlichen Kindes in der Krippe, sondern als warmes, goldenes Licht, das die Bühne erhellte. Und über allem schwebte die Musik. Feierliche Blasmusik eines Ensembles der Tölzer Stadtkapelle, traditionelle Volksweisen, die der Fischbacher Chor unter Leitung von Franz Schwaighofer gefühl- und kraftvoll sang. Einige Stücke wurden eigens komponiert: Musikschullehrer Rainer Gruber bereicherte das Adventssingen mit leichtfüßigen Eigenkompositionen, die von Instrumentalisten der Sing- und Musikschule wunderbar umgesetzt wurden. Ein mitreißendes "Gloria 2008" aus der Feder von Gregor Mayrhofer und die berührende Kraft des schlichten Dreigesangs der Geschwister Ertl - dies alles machte das Adventssingen zu einem beeindruckenden und berührenden Gesamtkunstwerk aus Wort, Klang und Licht.

Der Abend endete mit einem von allen Akteuren gemeinsam gesungenen Andachtsjodler und mit stehendem Applaus der Zuschauer.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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