Ausstellung:Der Maler von nebenan

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Im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen erinnert eine große Ausstellung mit mehr als 200 Exponaten an den Künstler und Wahl-Tölzer Albert Spethmann.

Von Petra Schneider

In diversen Wohnzimmern, Wirtshausstuben und Amtszimmern klafft zurzeit eine weiße Lücke, dort, wo normalerweise ein Gemälde von Albert Spethmann hängt. Mehr als 200 Exponate haben der Spethmann-Freundeskreis und der Kulturverein Dietramszell in monatelanger Arbeit aufgestöbert und zu einer sehenswerten Ausstellung im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen zusammengestellt. Die meisten sind erstmalig in der Öffentlichkeit zu sehen. "Es haben sich noch nie so viele ,Spethmänner' an einem Ort getroffen", sagte Constanze Koob vom Kulturverein Dietramszell bei der Vernissage. Dass Landrat Josef Niedermaier sofort eingewilligt habe, die Kreisbehörde als Ausstellungsort zur Verfügung zu stellen, sei ein Glück, lobte Walter Frei vom Spethmann-Freundeskreis.

Viele der gut 150 geladenen Gäste - darunter einige Leihgeber sowie der Spethmann-Enkel Cord Schmidt - kannten den Künstler noch persönlich. Der gebürtige Hamburger lebte in den Jahren 1920 bis 1984 in der Austraße in Tölz, 1921 heiratete er die Dietramszeller Wirtstochter Maria Hobmeier. Landrat Niedermaier kann sich noch gut an Spethmann erinnern: "Es war für uns Buben ein großer Spaß, den in seinem Garten sitzenden Maler mit unseren U-Hakerln zu ärgern", sagte Niedermaier. "Ich hoffe, das kann man mit so einer Ausstellung wieder gut machen." Die Fülle an Bildern, die von 70 Privatpersonen zur Verfügung gestellt wurden, zeigt, wie selbstverständlich ein "Spethmann" offenbar zum Leben der Einheimischen gehörte. In den Weiten der nüchternen Behördenflure erzeugen die Bilder eine fast heimelige Atmosphäre: Dicht an dicht und weitgehend chronologisch geordnet, gerahmt in schwere Gold- oder Holzrahmen, bilden sie wiederkehrende Motive in Öl- oder Aquarell ab: Tölz und die Isarbrücke, Dietramszeller Ansichten, Kochel- und Walchensee, Tegernsee und Wallberg, Benediktenwand und Kloster Reutberg. Auch Städteansichten sind darunter sowie Porträts und Zeichnungen, die vom handwerklichen Können des Malers zeugen.

Bei der Vernissage nehmen sich die Besucher Zeit, bleiben lange vor den Bildern stehen, überlegen, aus welcher Perspektive Spethmann wohl dieses oder jenes Motiv gemalt haben könnte.

Der 1894 geborene Wahl-Tölzer stammte aus einer Hamburger Künstlerfamilie. Sein Vater war Holzschnitzer, ein Bruder wurde Bildhauer. Spethmann studierte an den Kunstakademien in Düsseldorf und München und war sieben Jahre lang Meisterschüler für figürliche Malerei bei dem weithin bekannten Professor Hugo von Habermann. Einige seiner Bilder hängen unter anderem in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München und im Germanischen Museum in Nürnberg. "Das Menschenantlitz ist immer die schwierigste und faszinierendste Aufgabe in der Malkunst; sie ist ohne formales Können nicht denkbar", sagte er einmal.

Mit der Übersiedelung nach Bad Tölz entdeckte er die Landschaftsmalerei. In seinen Bildern blieb er einer realistischen Abbildung treu, auch wenn in späteren Jahren sein Farbauftrag pastoser und freier wurde. Scheinbar unbeeindruckt von künstlerischen Strömungen malte Spethmann seine Landschaften. Auch gesellschaftliche Veränderungen spiegeln sich nicht darin. Wandel bringen nur die Jahreszeiten. "Nie kam ihm der Gedanke, die von der Natur vorgegebene Schönheit abstrahiert, verzerrt oder verkünstelt darzustellen", sagte Frei. Stets malte Spethmann draußen, das verrostete Rad bepackt mit Staffelei, Leinwand und Pinsel. Käppi auf dem Kopf, Bundhose, eine Zigarre im Mundwinkel. Ein spröder, norddeutscher Künstler in einer bäuerlich geprägten Gesellschaft. Seinen Lebensabend verbrachte er in Berlin bei seiner Tochter Gertrud. Sein letzter Wunsch aber war es, auf dem Tölzer Waldfriedhof bestattet zu werden.

Ausstellung bis 13. November im Foyer und Obergeschoss des Landratsamts, Professor-Max-Lange-Platz 1; Montag, 8 bis 18 Uhr, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, 8 bis 16 Uhr, freitags 8 bis 12 Uhr; Führungen donnerstags, 18 Uhr.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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