Austausch im Kloster Beuerberg:Herz auf der Alm

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Karin Michalke mit Kind im Gespräch mit Marc-Aeilko Aris. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Karin Michalke spricht in Beuerberg über Freiheit und Grenzen

Von Sabine Näher, Eurasburg

Karin Michalke ist nicht allein ins Kloster Beuerberg gekommen: Im Tragetuch hat sie Mali mitgebracht. Die unternehmungslustige Tochter der Drehbuchautorin krabbelt später zwischen den Kabeln der Fernsehleute umher, die das Gespräch aufzeichnen. Und als die Kleine glucksend vor Vergnügen kopfunter die Beine der Mutter hinabklettert, liegt für Moderator Marc-Aeilko Aris die Frage nahe: "Herzenswunsch Kind?"

An den sogenannten Herz-Jesu-Freitagen, dem jeweils ersten Freitag im Monat, lädt Aris, Domrektor in Freising, einen Gesprächspartner "rund ums Thema Herz" ins Kloster Beuerberg ein. Michalke, die als Drehbuchautorin am Schliersee lebt, hat Drehbücher für Marcus H. Rosenmüller verfasst. Als Kontrastprogramm zieht es sie seit Jahren im Sommer auf die Alm. Ihre Erlebnisse als Sennerin hat sie in dem Buch "Auch unter Kühen gibt es Zicken" niedergeschrieben. Im März wurde sie mit dem oberbayerischen Dialektpreis des Kultusministeriums ausgezeichnet. "Ist Bairisch Ihre Sprache des Herzens?", eröffnet Aris daher das Gespräch. Michalke widerspricht: Herzensangelegenheiten könne man durchaus ganz ohne Sprache, mit Blicken und Gesten, zum Ausdruck bringen.

Aris zieht die Parallele zum Klosterleben, das größtenteils schweigend zugebracht werden muss: Schweigen, um der Sprache des Herzens folgen zu können. "Ist diese authentischer als die Sprache des Kopfes?" Die Schwestern hier hätten sicher "eine extreme Innenschau gelebt", antwortet die Autorin. Aber im richtigen Leben außerhalb der Klostermauern sei das nur bedingt hilfreich. Die Klausur habe die Schwestern eben auch vor den Bedrohungen draußen geschützt. "Die Sorgen, die man sich vom Kloster aus macht, die macht man sich nur im Kopf." Der Theologe erwidert, auch in der Auseinandersetzung mit sich selbst könnten doch große Probleme auf einen zukommen. "Des is ja der Scheiß auf der Alm", entfährt es Michalke. Und nun ist sie da, wo Aris sie hinlenken wollte: Er möchte die Parallelen zwischen den Rückzugsorten Kloster und Alm aufzeigen. War die Alm ein Herzenswunsch? Nein, es sei ihr vorrangig um die Nähe zu den Bergen gegangen, sagt die Autorin. Die Figuren ihrer Drehbücher wollten alle irgendwie raus aus dem Vertrauten und Neues entdecken, referiert der Domrektor. Tatsächlich habe sie von Begrenzungen weggestrebt, sagt Michalke. "Aber mit der grenzenlosen Freiheit muss man ja auch erst mal zurechtkommen. Um sich entscheiden zu können, was man wirklich will, muss man Grenzen finden."

Auf die Frage nach dem Herzenswunsch Kind sagt Michalke, sie sei jetzt 41, ein Alter, in dem sich das trenne: Hat man Kinder? Will man noch eins? Oder bleibt man kinderlos? "Also, das wäre für mich schon ganz schlimm gewesen, kein Kind zu haben." Das bringt Aris zu den "Trösterlein" genannten Jesuskind-Figuren, die fast jede Schwester in ihrer Zelle hatte, für die sie Kleidung nähte vom barocken Prachtkleid bis zum Trachtenanzug. "Könnte das blutende Herz auch mit dem Verzicht auf Kinder zu tun haben?" Sie denke schon, sagt die Autorin. "Andererseits sehen wir heute ein Kind als Erfüllung. Ich weiß nicht, ob das in früheren Zeiten auch so war."

Mali, die den Freiheitsdrang geerbt zu haben scheint, wedelt derweil freudestrahlend mit einem Kabel; ihre Mutter holt sie zurück auf den Schoß. Mit Aris' Frage, ob ein Kind heute so etwas wie der Gegenentwurf zur Luxusgesellschaft sei, kann Michalke nicht viel anfangen. Nach längerem Disput zieht sie das Fazit, man müsse zwischen materiellen und Herzenswünschen unterscheiden: "Letztere haben nichts mit Habenwollen zu tun, sondern es geht um seelische Bedürfnisse, um innere Erfüllung." Die Schwestern hätten sich eben ganz der Liebe zu Jesus hingegeben, andere Menschen sich in vergleichbarer Klausur künstlerischen Betätigungen zugewendet. Doch gerade im strengen Reglement des Klosters sei wohl Spielraum für innere Entfaltung gewesen - darauf können sich beide einigen.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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