Ausstellung in Irschenhausen:Marterl, Kreuze und Kapellen

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In dem Ickinger Ortsteil Irschenhausen hat sich viel verändert. Das Hollerhaus erzählt die Geschichte und Geschichten hinter den Momentaufnahmen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Hollerhaus zeigt örtliche religiöse Kleinode und Brauchtums-Bilder

Von Katharina Schmid, Icking

Was sie auf ihren Spaziergängen lange nur zu zweit geteilt haben, machten Inge und Franz Schäfer am Freitagabend erstmals einem größerem Publikum zugänglich: Marterl, Wegkreuze, Klostersäulen, Kapellen und Kirchen auf dem Gebiet der Gemeinde Icking. Die beiden langjährigen Mitglieder des Gebirgstrachtenerhaltungsvereins "Isarlust" haben über die vergangenen drei Jahre auf vielen Wanderungen im Gemeindegebiet und darüber hinaus Fotografien angefertigt, von Wegkreuzen unter Birkenblättern, von Marterln im Schnee oder Kapellen in den letzten Sonnenstrahlen des Tages. "Wenn man im Ruhestand ist, geht man viel spazieren", sagt die 64-jährige Inge Schäfer, "und dann fällt einem einfach einiges auf." So sei die Idee zur Ausstellung entstanden.

Erst fotografierten die beiden nur vereinzelt Kreuze und Inschriften, die ihnen auf ihren Touren aufgefallen waren. Nach und nach wurde daraus eine akribische Suche, Landkarten und Hinweise von Freunden und Bewohnern der Gemeinde halfen beim Aufstöbern auch der versteckteren religiösen Kleinode in der Ickinger Landschaft. Inge Schäfer und ihr Mann Franz, 71, zogen auf ihren Spaziergängen bald immer weitere Kreise und sammelten über die Jahre auch jene 165 Fotografien, die am vergangenen Wochenende im Hollerhaus erstmals zu sehen waren. Präsentiert an Stellwänden auf kleinem Raum, sorgfältig kartiert, damit die Besucher den Standort der Fundstücke nachvollziehen können.

"Ich hoffe, dass wir sie alle gefunden haben", sagt Inge Schäfer. Weil sie zwar gefunden und fotografiert sind, aber zu vielen Kreuzen und Marterln die Geschichte fehlt, liegt im Hollerhaus ein Buch aus, in welches die Besucher ihr Wissen über die einzelnen Fundstücke eintragen können. Die Geschichte hinter diesen Zeichen der Gläubigkeit der Menschen interessiert die Schäfers. So sind manche der religiösen Symbole mitten in der Natur aufgestellt worden, etwa weil ein Angehöriger unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt war oder eine Krankheit überwunden hatte. Zu vielen fehlt jedoch die Geschichte des Entstehens. Damit sich das ändere, gebe es nun die "interaktive Ausstellung", wie Lia Schneider-Stöckl vom Hollerhaus am Freitagabend sagte. Und in der Hoffnung, vielleicht eines Tages ein kleines Büchlein über die Marterl und Kreuze auf Ickinger Gemeindegebiet anfertigen zu können. Inge Schäfer fasziniert die "große Volksfrömmigkeit", die hier zum Ausdruck komme. Noch heute. Manche der Marterl und Kreuze seien "gepflegt und ordentlich", andere dagegen würden "jämmerlich" aussehen, verwildern.

Wer sich für die Fotografien aus Icking interessiert, hat am kommenden Wochenende, 21. und 22. Juli, erneut die Gelegenheit, die Ausstellung im Hollerhaus zu besuchen. Daneben ist eine Bildergalerie zum 110. Jubiläum des Trachtenvereins Isarlust zu sehen. Geöffnet ist jeweils von 14 bis 18 Uhr.

Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung am Freitagabend erzählten die Irschenhauser Hobby-Historiker Angela Grigelat und Konstantin Beck sowie der Münchner Restaurator Florian Ebinger in der "Geschichte eines Moment", wie es im Irschenhausen des Jahres 1907, also vor genau 111 Jahren, ausgesehen haben dürfte. Anhand eines Bildes, das der Münchner Maler Paul Nauen an einem Sommertag in Irschenhausen aufgenommen hatte, gingen die drei auf die Geschichte des Ortes und insbesondere des sogenannten "Ruamschaber"-Hofes ein, in dem Angela Grigelat heute lebt. Die Fotografie zeigt einen Ochsenkarren, auf dem eine Kinderschar Platz genommen hat. Sebastian Stocker, der Onkel des verstorbenen Altbürgermeisters von Icking Hans Stocker, hält die Kühe im Zaum. Im Hintergrund ist der Ruamschaber-Hof zu sehen, einer der ältesten Höfe in Irschenhausen.

Eindrücklich schilderte Angela Grigelat anhand der Aufnahme das Leben der Menschen vor 111 Jahren, ging auf die ehemaligen Bewohner des Hauses ein und schloss schließlich mit der Feststellung, dass sich vieles im Ort geändert habe. Die klassischen Dörfer seien verschwunden, die Dorfgemeinschaft in ihrer damaligen Form auch, Begegnungsräume würden weniger. Was bleibt? Brauchtum. Das könne zwar "gelebtes Miteinander" nicht ersetzen, "aber ihr bringt die Leute zusammen", sagte Grigelat, und gratulierte den Trachtlern zum 110. Jubiläum.

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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