Aus dem Amtsgericht:Bizarre Nötigung

Lesezeit: 2 min

Ein Mann drängt eine Radlerin dazu, ihn an ihrem Sattel schlecken zu lassen. Gericht stellt Verfahren gegen Auflagen ein

Von Benjamin Engel, Dietramszell

Erst einen Tag später hat die junge Radrennfahrerin sich überwunden, den 24-jährigen Mann anzuzeigen. So bizarr war, was er im März 2017 von ihr wollte. Daher brauchte sie Zeit, um vor der Polizei aussagen zu können. Die junge Frau war auf einer Trainingsrunde mit dem Fahrrad auf der Staatsstraße 2368 bei Linden unterwegs. Als sie an einem Holzstapel Pause machte, hielt der junge Mann sein Auto an und ging auf sie zu. Er fragte sie, ob er ihren Sattel abschlecken dürfe. Das machte er dann auch, obwohl ihn die Studentin noch mit dem Arm wegdrücken wollte. So berichtet die Frau in der Verhandlung am Wolfratshauser Amtsgericht. "Ich war total perplex", sagt sie. "Ich weiß nur noch, dass ich unbedingt weg wollte." Monate später lauerte er ihr auf einer Radtour noch einmal auf.

Vor dem Amtsgericht Wolfratshausen wurde gegen den Mann aus einem Nachbarlandkreis am Mittwoch wegen Nötigung verhandelt. Amtsrichter Helmut Berger stellte das Verfahren schließlich ein. Er verpflichtete den gelernten Maurer, 500 Euro an die Frau zu zahlen und ein Jahr lang keinen Kontakt zu der Studentin aufzunehmen. Der Mann äußerte sich zur Tat nicht. Über seinen Verteidiger gab er das Geschehen aber zu.

Mit dem Rennrad ist die Studentin 6000 bis 7000 Kilometer im Jahr unterwegs. Am 20. März 2017 war sie schon eindreiviertel Stunden gefahren, als sie an dem Holzstapel Pause machte. Als der Mann auf sie zukam, habe er erst nur nach dem Weg gefragt, sagte sie. Doch dann habe er gefragt, ob er ihren Sattel abschlecken dürfe. Mit dem rechten Arm habe er sie am Arm gepackt. Sie sei weiter Richtung Holzstapel zurückgewichen und habe währendessen das Rad festgehalten. "Dann hat er sich vorgebeugt und von vorne bis hinten den Sattel abgeschleckt", berichtete sie. Das habe der Mann sogar noch wiederholen wollen. "Lass mich noch mal schlecken", habe er gesagt. Mit dem linken Arm habe sie eine Abwehrbewegung gemacht und sei weggefahren. Er sei zurückgeblieben. Sie habe die ganze Zeit den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte tatsächlich nur an ihrem Sattel lecken wollte - um sexuelle Handlungen sei es ihm nicht gegangen. Auf ihrem Handy habe sie sich später dessen Autokennzeichen notiert.

Nach dem Schockmoment traute sich die junge Frau längere Zeit nicht mehr allein aufs Rad. "Ich hatte Angst", erklärt sie. Ihre Trainingstouren unternahm sie nur noch in Begleitung. Erst später traute sie sich wieder solo mit dem Rad auf die Straße. Drei bis vier Mal sei sie dem Mann begegnet, als er mit dem Auto unterwegs an ihr vorbeigefahren sei.

Noch einmal habe er sie Mitte September belästigt. Wieder war die Frau mit dem Rad unterwegs. Mehrmals überholte der Mann sie mit dem Auto und hielt immer wieder an. Als sie vorbeifuhr, brüllte er sie an. Erst als sie auf eine für Autos abgesperrte Strecke einbiegen konnte, gelang es ihr, den Mann abzuschütteln. Sie habe diesen Vorfall sofort der Polizei geschildert. Doch die Sachbearbeiterin habe die Anzeige nicht aufgenommen und ihr geraten, davon bei der anstehenden Gerichtsverhandlung zu berichten.

Sich für sein Verhalten zu entschuldigen fiel dem Angeklagten offensichtlich schwer. Kaum im Sitzungssaal zu hören war, wie er zunächst nur "Tschuldigung" nuschelte. Erst auf Ermahnung des Richters entschuldigte er sich in einem ganzen Satz. Dabei verschränkte er die Arme vor der Brust.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: