Angelo Branduardi in Benediktbeuern:Ein Barde geht baden

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Der Gast ist prominent, doch die Stimmung ist am Boden: Beim Konzert von Angelo Branduardi werden die Zuschauer nass - weil Schirme abgegeben werden mussten.

Barbara Szymanski

Ein bisschen Kunstnebel wallt auf der Bühne im Klosterhof zu Benediktbeuern. Und wenn es besonders lyrisch wird, flammen blaue, rote und grüne Scheinwerfer auf. Sie haben ähnliche Farben wie die Zuschauer in ihren Anoraks, Skianzügen, Regenjacken und -Capes. Die meisten der laut Veranstalter 1100 Zuhörer haben offensichtlich von den Unwetterwarnungen mit ergiebigem Starkregen gehört oder gelesen. Sie wussten deshalb, dass das einzige Open-Air-Konzert in Bayern des italienischen Barden Angelo Branduardi ziemlich feucht wird, und haben sich entsprechend präpariert. Schirme sind laut einem Schild am Eingang verboten, und die drei gestandenen Männer von einer Bad Tölzer Security-Firma sorgen mit strengem Ton dafür, dass die "Vorschrift" auch eingehalten wird.

Während Angelo Branduardi im Klosterhof Benediktbeuern spielt, schüttet es wie aus Kübeln. (Foto: Manfred Neubauer)

Beifall braust auf zur Begrüßung von Branduardi. Einige junge Mädchen schert der Regen nicht. Sie wiegen sich schon beim ersten Song. Der Meister der perlenden Songs mit etwas Rockwucht, aber immer mit Ohrwurmcharakter, er spricht Deutsch mit dem sympathischen Singsang eines Italieners. Er erzählt, dass er jetzt gleich ein verrücktes Lied singen wird - in vielen Sprachen, zwei neue Stücke, bekannte, später berühmte wie das unverwüstliche "Cogli la prima mela".

Doch es mag keine Stimmung aufkommen. Es regnet nämlich nicht, sondern es schüttet. Reihenweise verlassen ganze Familien und Paare mit finsteren Mienen das Konzert. Sie haben zwar 40 bis 48 Euro pro Person dafür bezahlt und sind aus Wasserburg, Rosenheim, München, Berchtesgaden und auch noch weiter weg angereist, "doch meine Gesundheit ist mir wichtiger", sagt ein Mann aus Dachau. Er hat für seine Frau und sich zwar noch zwei Regencapes erstanden - hauchdünn wie Frischhaltefolie, aber drei Euro das Stück. "Doch die Beine sind nass. Wir frieren", sagt er. Gefreut habe er sich darauf, Angelo Branduardi nach mehr als 30 Jahren wieder zu hören, ihn gar leibhaftig zu sehen. Eine Vinylplatte habe er zu Hause gefunden, aufgelegt und dann zu seiner Frau gesagt: "Ja, gibt's denn den noch?"

Ja es gibt ihn noch, den kleinen, energiegeladenen Mann von nunmehr 60 Jahren mit den großen Gesten und den beneidenswert dichten, wuscheligen Haaren. Silbergrau sind sie jetzt, aber irgendwie glatter. So wie seine Lieder, sein Spiel auf Flöten, einem riesigen goldenen Gong und auf einer fast unsichtbaren Geige. Er ist sich treu geblieben. Seine Fans können sich darauf verlassen, dass er keine Experimente wagt, sondern sie weiter anspruchsvoll unterhält mit irischen, italienischen, sardischen oder jiddischen Liedern sowie Melodien und Rhythmen aus vielen Jahrhunderten. Und mit Sphärenklängen, die mitunter den prasselnden Regen vergessen lassen.

Dass die Songs nach wie vor professionell arrangiert sind und seine Stimme immer noch so wohlklingend ist wie vor über 30 Jahren. Damals war Angelo Branduardi mit "La pulce d'acqua" - der Wasserfloh - oder "Alla fiera dell'est" - auf dem Jahrmarkt - und anderen Stücken die italienische Entsprechung bekannter Liedermacher wie Konstantin Wecker, Klaus Hoffmann oder Herman van Veen. Nur eben unpolitischer.

Und weil Branduardi sich nicht neu erfand, bleiben die wirklichen Fans auch im Sturzregen eisern sitzen. Andere flüchten sich ins Erfrischungszelt, trinken Rotwein, manche tanzen. Doch eine Lehrerin aus Rosenheim beschließt: "Mein wunderbarer Angelo hin oder her: Ich rette mich in die Klosterschänke."

© SZ vom 26.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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