Altinger in Wolfratshausen:Jessas Maria!

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Das Fest der kindischen Eltern: Komiker Michael Altinger über die Angst als kleiner Bub vor dem sabbernden Nikolaus mit vergilbtem Bart und die Rituale, vor denen es kein Entrinnen gibt.

Barbara Szymanski

Spätestens seit dem Film "Single bells" von Xaver Schwarzenberger wissen wir Vorweihnachtsstressler, dass Weihnachten gründlich misslingen kann, wenn alle Ingredienzien zusammenkommen wie fette Gans, Wiener Omama, hilfloser Vater und ein krummer Weihnachtsbaum, der in Flammen aufgeht und mit dem Nerz von Oma Lilibet gelöscht wird. Und erst recht nach dem Sketch von Loriot "Weihnachten bei Hoppenstedts". Während man bei diesen beiden weihnachtlichen Impressionen noch von Herzen lachen konnte, weil sie köstlich absurd bis vollkommen überzogen sind, bleibt der Komiker Michael Altinger ziemlich nah an der rauen Wirklichkeit mit seinem Programm "Heilige Familie", mit dem er am Freitagabend in der Loisachhalle gastierte.

Führt in seinem Weihnachtsprogramm die Heilige Familie vor: Komiker Michael Altinger. (Foto: Hartmut Pöstges)

Vermutlich kann er aus dem Vollen schöpfen, ist er doch Familienvater. Altinger gesteht: "Weihnachten ist das Fest der kindischen Eltern." Er reibt sich die Hände und freut sich auf die enttäuschten Bubenaugen, wenn der Sohn anstatt der heiß ersehnten Wii-Konsole ein Thymianöl bekommt. Auch Mutter wird sich wie jedes Jahr gequält freuen über eine schön verpackte Flasche.

Kein Zweifel: Weihnachten ist das Fest, bei dem ein Familienverband seine härteste Bewährungsprobe bestehen muss. Denn es gibt kein Entrinnen: Essen, Baum, Geschenke, Schwiegermutter und die Frage aller Fragen: Gehen wir nach der Bescherung in die Christmette? Viele der Rituale rund um das Fest aller Feste sind zum Augenverdrehen, werden selten modifiziert: Weihnachten ist halt so.

Altinger wäre nicht der von Fernsehen, Film und Bühne bekannte ewige Lausbub, wenn er das nicht noch ein wenig derber überziehen könnte. Die Heidenangst als Bub vor dem Nikolaus zum Beispiel. Der mit dem vergilbten Bart und einer Sehhilfe mit Gläsern so dick wie Aschenbecher, der immer sabberte. Vor lauter Respekt räumte er weiland sein Zimmer auf und taufte sogar den Goldhamster, der - weil Wüstentier - leider ertrank. Als Christ immerhin.

Auch bei den Altingers ist es früher wohl so zugegangen wie hinter so manchen traulich erleuchteten Fenstern allüberall im Lande. Da gab es wie in Stein gemeißelte Rituale. Der Höhepunkt nach der Bescherung war bei Altingers das Weißwurstessen mit braunem, süßem Baaz. "Ja, pfui Deifi!" Heute, unter Erwachsenen, geht es vornehmer zu. Da gibt es heißen Stein mit einem ganzen unübersichtlichen Tisch "voller Gesoße und anderem Zeugs".

Dann die Geschenke. Altingers eigene Präsente sind ja schon verteilt. Aber er muss nun selbst so tun, als freue er sich unendlich über die Stofffetzen, die offenbar die Kindergärtnerin seines Buben zu einer Art Tier zusammengeschustert hat.

Jetzt sind schon die wichtigsten Zutaten einer gesegneten friedlichen Weihnacht in der Familie abgearbeitet, fehlt nur noch der Hintergrund all dieser Katastrophen: die Geburt Jesu. Das ist der stärkste Part in Altingers Programm, obwohl die Sache von anderen Humoristen noch durchdachter und überraschender bearbeitet wurde. Aber auf Altinger ist Verlass. Der baut nahtlos die Geburt seines eigenen Sohnes - bei der er vermutlich wirklich zugegen war - mit ziemlich vielen, aber zum guten Glück nicht allen Details ein. Denn es sind eher die Männer, die im Angesicht von Geburten - jungfräulich empfangen oder nicht - Weihnachten im allgemeinen, Geschenken und Essen im besonderen wegen des Fehlens eigener Ideen und Taten versagen, als die patenten Frauen - einschließlich Schwiegermütter. Die haben sowieso immer die ultimative Lösung für jedwedes Problem parat.

Es gibt viele Lacher in der halb gefüllten Loisachhalle, auch über das Schlachten einer Weihnachtsforelle. Und hier geht der Michi Altinger wirklich ins Detail: Schöne Weihnachten in der (heiligen) Familie.

© SZ vom 06.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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