Wohnen in München:Für 20.000 Wohnungen drohen höhere Mieten

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Der Bund will Grundstücke wesentlich teurer verkaufen, als das in der Vergangenheit üblich war. Die Genossenschaften in München sind alarmiert - und warnen, dass dadurch die Preise bald erneut kräftig steigen könnten.

Michael Tibudd

Ein weiteres Mal ist günstiger Wohnraum in München in Gefahr. Nach Angaben von Genossenschaften könnten die Mieten für bis zu 20 000 Wohnungen in der Stadt schon bald kräftig steigen. Dabei handelt es sich um Wohnungen auf Grundstücken, die bisher Genossenschaften überlassen sind und die relativ günstig vermietet werden. Weil der Bund die Grundstücke teilweise verkaufen und dabei möglichst hohe Preise erzielen will, sind die Genossenschaften alarmiert.

Genossenschaftswohnungen in Neuhausen. Für 20.000 Wohnungen in München drohen nun höhere Mieten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Bund verkauft seine Grundstücke neuerdings zum Höchstpreis", sagt Xaver Kroner vom Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW), der Genossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen vertritt. Auf diese Weise müssten die Genossenschaften mit der privaten Immobilienwirtschaft konkurrieren. "Damit sind viele Genossenschaften in ihrer Existenz bedroht. Sie können das entweder nicht finanzieren oder müssten die Mieten extrem anheben", so Kroner.

Die Wohnungen befinden sich auf Grundstücken, die den Genossenschaften im sogenannten Erbbaurecht überlassen sind. Das ist ein Stück weit wie Eigentum - mit dem wichtigen Unterschied, dass das Erbbaurecht irgendwann, oft erst nach Jahrzehnten, ausläuft und das Grundstück an den eigentlichen Eigentümer zurückfällt. Die frühere Bundesbahn und die Bundespost überließen ihre Grundstücke häufig Genossenschaften, die darauf Wohnungen für die Bahn- und Postbeamten bauten. Die Mieten dort waren günstig. Eine billige Wohnung galt als Teil des Gehalts.

Seit der Bund Mitte der 1990er Jahre die Post privatisierte und die Bahn in eine Aktiengesellschaft umwandelte, veräußert er in der Regel auch die Grundstücke, wenn das Erbbaurecht ausläuft. "Bislang hat der Bund in den Preisverhandlungen Vernunft walten lassen, ohne dass man die Grundstücke verschenkt hat", berichtet Kroner. "Jetzt herrscht offenbar die klare Vorgabe, den maximalen Preis herauszuholen." Kroner spricht von einer "Lex München", nirgendwo sonst setze der Bund auf ein Bieterverfahren, bei dem die Genossenschaften mit der privaten Immobilienwirtschaft in Wettbewerb treten müssten.

2700 Euro statt 1200

Was das in der Praxis bedeutet, berichtet Bernhard Reinhart, Vorstand der Eisenbahner-Baugenossenschaft München Hauptbahnhof, einer von sieben Eisenbahner-Genossenschaften in München. Ihr gehören rund 2400 Wohnungen in der Stadt, 1500 davon stehen noch auf Erbbaugrundstücken.

Für ein Grundstück in Neuhausen, auf dem 112 Wohnungen sind, habe der Bund Ende 2010 noch 1200 Euro pro Quadratmeter verlangt. Nach der neuen Preispolitik verlange er 2700 Euro, was in etwa dem Marktpreis für unbebaute Grundstücke entspricht. "Damit würde uns allein das Grundstück mehr als 14 Millionen Euro kosten", sagt Reinhart. Weil der Gebäudebestand saniert werden müsse, kommen ohnehin Kosten von mindestens 15 Millionen Euro auf die Genossenschaft zu. "Dann müssten wir 22 Euro pro Quadratmeter Miete verlangen", so Reinhart.

Das wäre selbst für Münchner Verhältnisse extrem teuer; als aktuellen Durchschnittswert gibt der Maklerverband IVD rund 13 Euro pro Quadratmeter an. Reinharts Genossenschaft verlangt heute zwischen sechs und zehn Euro pro Quadratmeter.

Eine "Lex München" existiert tatsächlich

Das Bundesverkehrsministerium, das für die Verwertung der Bahngelände zuständig ist, bestätigt die Praxis. "Erbbaurechte, die kurz vor dem Auslaufen stehen, werden öffentlich gegen Höchstgebot ausgeboten", heißt es in einer Stellungnahme. Das gebiete die Bundeshaushaltsordnung.

Es gebe zwar bundesweit ein Modell, nach dem Genossenschaften Erbbaurechte günstig kaufen könnten. "Dieses Modell gilt aber ausdrücklich wegen der hohen Bodenwerte nicht für München", heißt es.

Eine "Lex München" existiert also tatsächlich. Allerdings könne jede Genossenschaft Grundstücke zum Höchstgebot kaufen. "Das können sich Genossenschaften nicht leisten", sagt Xaver Kroner. Er prophezeit: "Für viele wird das das Aus bedeuten."

© SZ vom 09.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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