Wirtschaft:Die Bankerin und ihr Buzz

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Melanie Konrad gehört zum neuen Tech-Team der Hypo-Vereinsbank, das den Gründern neuer Firmen beim Vorankommen helfen soll. Wie bei einer klassischen Bank sollen die sich nicht vorkommen, es solljugendlich-kumpelhaft zugehen. (Foto: Stephan Rumpf)

Viele Kreditinstitute in München haben jetzt eigene Teams, die sich ausschließlich um Start-ups kümmern. Denn diese Gründer sind anders als klassische Kunden

Von Pia Ratzesberger

Noch sieht es hier nicht viel anders aus als in den Büros nebenan, aber sie haben sich schon auf die Liste geschrieben, dass vielleicht bald ein Sitzsack rein muss. Eben irgendein Ding, das sie von den Bankern abhebt, denn wie die wollen sie nicht sein und sollen das auch nicht. Immerhin posiert hier auch schon der Space-Ranger Buzz, einer der Helden aus dem Pixarfilm Toy Story, damals in den Neunzigern ein recht innovatives Spielzeug, und deshalb passt er vielleicht gut hier herein. In diesem Büro wollen Melanie Konrad und ihre drei Kollegen jungen Firmen helfen, neue Ideen voranzubringen. In möglichst vielen Ländern und natürlich mit möglichst viel Gewinn. Die Hypo-Vereinsbank hat in München jetzt ein eigenes Tech-Team, das allein Gründer betreut, und mit diesen Bemühungen ist sie in der Branche nicht allein. Diese Leute sind wertvoll für eine Bank, das hat man nicht nur in der Kardinal-Faulhaber-Straße erkannt.

Auch die Deutsche Bank oder die Commerzbank zum Beispiel werben in München um Gründer, deren Firmen wachsen werden und in einigen Jahren vielleicht zum neuen Mittelstand gehören. Also will man sie schon möglichst früh an die Bank binden. Gerade in München entstehen viele neue Unternehmen. Hier sitzen Konzerne wie Microsoft oder IBM, auch Google hat hier eine Zentrale, die Technische Universität München fördert Gründer mit Dutzenden Programmen, ebenso das Bayerische Wirtschaftsministerium. Die Banken konzentrieren sich deshalb nicht nur auf Berlin, wo noch immer so viele neue Unternehmen entstehen wie nirgends sonst im Land. Sondern auch auf den Süden.

Die Stadtsparkasse München war dabei manchen voraus. Sie hat schon 1993 ein Existenzgründungscenter eingerichtet. Zu einer Zeit also, als man eine neue Firma noch nicht Start-up nannte. Allerdings betreut man hier auch nicht nur Techfirmen. Neun Leute arbeiten im Center, 105 Gründer haben sie im vergangenen Jahr begleitet. Und das sind eben nicht nur die Jungen mit den innovativen Ideen, mit den Apps und den Halbleitern. Sondern auch die mit Projekten, die es immer wieder gibt, die einen Kiosk oder einen Imbiss eröffnen. Wahrscheinlich heißt es deshalb auch "Existenzgründungscenter". Und nicht "Tech-Team" oder "Digital Hub". Die Teams bei anderen Banken nämlich haben es vor allem auf digitale Ideen abgesehen. Was nicht heißen soll, dass sie sich nicht auch um den Kioskbesitzer bemühen.

Das tun sie dann aber nicht zwingend in ihren Start-up-Abteilungen. In denen werden Firmen mit zwei Mitarbeitern manchmal schon betreut wie ein Konzern. Denn wenn neue Firmen ein digitales Geschäftsmodell haben, wollen sie das rasch in mehrere Ländern bringen, fordern Gespräche mit den Fachleuten für den asiatischen Markt ein paar Türen weiter, mit den Kollegen vom Investment Banking. Viele ihrer Gründer seien sehr ambitioniert und hätten "meist überaus ehrgeizige Ziele", heißt es bei der Deutschen Bank. Die Leute hätten oft schon Erfahrung in großen Konzernen, in Beratungsgesellschaften, heißt es bei der Commerzbank.

Dort nennt sich das Team "Digital Hub". Es besteht aus zwei Leuten, bis zum Ende des Jahres sollen es vier sein. Sie hätten "Verbindungen zu mehr als 50 Münchner Start-ups", sagt der Leiter Bernhard Geyer. Man konzentriere sich auf Firmen, die bereits Venture Capital erhalten hätten. Denen also Investoren Geld gegeben haben - mit dem Risiko, all ihren Einsatz zu verlieren und die deshalb daran glauben müssen, dass sich die Idee lohnen wird. Vor zwei Jahren hat das "Digital Hub" mit seiner Arbeit in München begonnen, auch die Deutsche Bank hat so lange nun einen Start-up-Koordinator.

Bisher kümmerte sich drei Jahre lang ein Tech-Team in Berlin um die junge Firmen, Anfang des Jahres aber sind nun Mitarbeiter in Büros in Hamburg und in München gezogen. "Unsere Kunden werden nie die klassischen Bankkunden sein", sagt Melanie Konrad in ihrem Büro mit dem Space-Ranger. Sie ist 28 Jahre alt, hat vorher in der Filiale am Lorenzer Platz in Nürnberg Maschinenbauer und Spediteure betreut. Sie kennt die klassischen Kunden daher gut. Nun aber trägt sie Jeans und Pullover, duzt all ihre Kunden - wie man das unter Gründern eben so macht. Was aber nicht heißen solle, dass diese Gründer nicht genau wüssten, was sie wollten. Nämlich meist: schnell Kapital, schnell wachsen, noch mehr Kapital. Die Tech-Teams der Hypo-Vereinsbank betreuen eigentlich nur Firmen mit digitalen Geschäftsmodellen. In München allerdings seien manche Ideen auch immer wieder stark auf Hardware konzentriert, die nehme man auch mit. Denn München ist eine Stadt der IT.

Während in Berlin die Gründer vor allem Modelle für Endkunden entwickeln, neue Lieferservices für Essen zum Beispiel oder neue Fahrdienste, geht es in München oft um Produkte für andere Unternehmen. Das erzählen sie in allen Abteilungen für Start-ups. Robotik und Sensorik seien große Themen, sagt Konrad, aber auch Biotechnologie und Onlinehandel. Hinter ihr an der Wand kleben vier Zettel, mit Aufgaben und Ideen, irgendwann soll einmal die ganze Wand damit voll sein, wie sie das im Haus der Innovation in der Schellingstraße 45 gesehen hat. Dort hat die Hypo-Vereinsbank ein eigenes "Innovation Lab" eingerichtet, ein Labor für neue Bankprodukte. Konrad war im vergangenen Jahr drei Monate dort. Jetzt hat sie ihr eigenes Labor.

Sie und ihre Kollegen müssen nun versuchen, neue Unternehmen anzuwerben. Die Deutsche Bank betreut in Bayern eigenen Angaben nach mittlerweile etwa 300 Firmen. Konrad und ihre Kollegen sind gerade erst dabei, sich Kontakte aufzubauen. Die aber sollen auch lange halten. Die Idee ist, dass die immer gleichen Leute die Start-ups betreuen. Selbst wenn sie keine Start-ups mehr sind, sollen sie also noch Melanie anrufen und nicht eine Frau Müller oder einen Herrn Klaus. Die Gründer sollen sich ja wohlfühlen - auch wenn sie irgendwann zum Mittelstand gehören. Dann vielleicht erst recht.

© SZ vom 22.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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