Viertel-Stunde:Immer der Nadel nach

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Hermann Anschütz-Kaempfe wollte mit einem U-Boot zum Nordpol und entwickelte dafür einen Kreiselkompass. (Foto: S.M.)

Wie Hermann Anschütz-Kaempfe einen besonderen Kompass erfand

Von Berthold Neff

Der Beginn eines neuen Jahres bringt es mit sich, dass man sich wichtige Fragen stellt, etwa diese: Wohin geht diesmal die Reise? Hermann Anschütz-Kaempfe wusste das ganz genau. Und ihm war klar, dass dafür ein ganz besonderer Kompass nötig wäre. Er wäre sicher auch heute nützlich, um die nach ihm benannte Straße zu finden, die von der Truderinger Straße abzweigt und am Parkplatz vor der SZ-Druckerei endet. Es ist für einen großen Mann eine recht kleine Straße.

Dem Lehrersohn, der am 3. Oktober 1872 in Zweibrücken geboren wurde, wäre das heute wohl egal. Er wollte ganz woanders hin, zum Nordpol, und zwar mit einem U-Boot unter dem Packeis hindurch. Weil aber ein gewöhnlicher Kompass im stählernen Rumpf nicht funktionieren würde, weil dieser das Magnetfeld abschirmt, begann er, einen Kreiselkompass zu entwickeln. Er experimentierte im Schwimmbecken des Müllerschen Volksbades und ging schließlich nach Kiel, um die Marine für sein Gerät zu begeistern. Es klappte. Seine Firma florierte, er wurde reich und zu einem Förderer der Wissenschaften.

"Anschütz ist ein vollkarätiges Glückskind. Wenn er mir sagte, er werde mit sechs Lipizzanerhengsten zum Nordpol fahren, so würde ich es für möglich halten", schwärmte der österreichische Polarforscher Julius Payer einst von dem jungen Hermann, der auf eher untypische Art zum Erfinder wurde. Sein in München begonnenes Medizinstudium bricht er ab, belegt in Innsbruck Kunstgeschichte und promoviert. Nach dem Tod seines Vater wird er von dem Salzburger Kunsthistoriker Kaempfe adoptiert, dessen Vermögen er später erbt.

Immer wieder zieht es den Erfinder und Unternehmer nach München. Nahe der Universität, Leopoldstraße 6, richtet er sich eine luxuriöse Wohnung ein, mitsamt Orgelsaal, Bibliothek und Labor. Sogar Starkstromleitungen wollte er legen lassen, um einen Schmelzofen zu betreiben. Und er sucht den Kontakt zu den großen Wissenschaftlern seiner Zeit, heuert Albert Einstein für sein Projekt an. 1921 erwirbt er in Lautrach bei Memmingen ein Barockschloss, macht es zum Treff für Wissenschaftler und Künstler. 1931 stiftet er der Universität das Areal der Reitschule, im selben Jahr, mit 59, stirbt er. 27 Jahre später, am 3. August 1958, wird sein Traum Wirklichkeit. Das amerikanische Atom-U-Boot Nautilus hat es geschafft, den Nordpol zu unterqueren.

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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