Versteigerung:Haus über Leichenhalle abzugeben

Lesezeit: 2 min

Der neue Eigentümer dieses Hauses muss der Städtischen Bestattung die kostenlose Nutzung zweier Zimmer im Erdgeschoss einräumen. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Weil die Sanierung sehr teuer wäre, will die Stadt ein Haus in Oberföhring versteigern.
  • Zwei Räume werden weiterhin als Leichenhalle genutzt.
  • Von der Wohnung führt kein Durchgang in die Aufbahrungsräume.

Von Laura Kaufmann

Auf den ersten Blick wirkt das Angebot wie ein wahr gewordener Münchner Immobilientraum, einer aus der Rubrik "Man muss auch mal Glück haben im Leben". Ein Häuschen in der Stadt und doch in ruhiger Lage; in sehr ruhiger Lage, um genau zu sein. Direkt am Kirchenfriedhof St. Lorenz in Oberföhring gelegen ist die Immobilie, welche die Stadt derzeit anbietet und gegen Höchstgebot veräußert.

Bei 670 000 Euro liegt der Startpreis für dieses kleine Idyll mit Garten an der Muspillistraße, die Grundstücksgröße beträgt 470 Quadratmeter. Natürlich ist es etwas sanierungsbedürftig. Ein paar Probleme mit Schimmel gibt es da offenbar und ein wenig einsturzgefährdet ist der Satteldachbau auch. Diese Makel zu beseitigen, dürfte laut einem Gutachten noch einmal etwa 710 000 Euro kosten.

Nun gut, so sind wir also schon bei 1,4 Millionen Euro angelangt, aber: Für ein eigenes Haus in dieser Lage in München ist das doch immer noch in Ordnung. Neben dem Garten hat das gelbe Häuschen sogar noch einen eigenen Zugang zum Friedhof.

Und hier liegt nun, um ein schlechtes Wortspiel zu bemühen, der Hund begraben: Der neue Eigentümer muss der Städtischen Bestattung die kostenlose Nutzung zweier Zimmer im Erdgeschoss einräumen. Hier werden die Leichen aufgebahrt, bevor sie auf dem Friedhof nebenan beigesetzt werden.

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Zukünftige Zwischenmieter in dem Häuschen sind also Verstorbene und ihr trauernder Anhang. 35 Quadratmeter nehmen diese beiden Zimmer ein, sie sind natürlich die mit dem direkten Zugang zum Friedhof. In diesem Gebäude hat also niemand Leichen im Keller, sie sind gleich direkt im Erdgeschoss.

Man hat da automatisch Bilder im Kopf, wie die neuen Bewohner, sagen wir eine Familie, hektisch Semmeln und Käse vom Frühstückstisch räumt, den Tisch zusammenklappt und mit ihm unter dem Arm fluchtartig den Raum verlässt, weil gleich wieder ein Trauerzug anrückt; wie die Mutter dem Sohn im Nebenraum zuzischt, er solle doch wenigstens aus Pietätsgründen diese furchtbare Rap-Musik jetzt leiser drehen.

Die Aufbahrungsräume können die Bewohner nicht nutzen

Wobei: Nur das zweite Szenario ist vorstellbar, denn die Aufbahrungsräume selbst dürfen die neuen Bewohner gar nicht nutzen. Vom Haus aus sind sie nicht einmal zu betreten, es gibt keine Verbindungstür. Der Aufbahrungsraum kann also jenseits seines ursprünglichen Zwecks nicht zum Beispiel als Hobbyraum genutzt werden, obwohl sich auf 35 Quadratmetern sicherlich zumindest eine schnell verräumbare Tischtennisplatte unterbringen ließe. Im vergangenen Jahr wurden die beiden Räume im Erdgeschoss lediglich fünfmal benutzt; die neuen Besitzer werden also nicht täglich von Heerscharen schwarz gekleideter Trauernder eingekesselt sein.

Die Immobilie loszuwerden, hält die Stadt für sinnvoller, als die Sanierungskosten zu tragen und sie selbst zu nutzen. Wer nun aber davon träumt, sich das gelbe, schlicht wirkende Häuschen aus dem Jahr 1873 zur prunkvollen Villa auszubauen, dem sei gesagt, dass der Denkmalschutz ein Wörtchen mitzureden hat: Das Haus muss in seiner jetzigen Form erhalten werden. Auch das ein Grund, warum das Kommunalreferat es nun an den Meistbietenden verkaufen will. Allerdings: Das Dachgeschoss kann noch ausgebaut werden.

Nun bleibt abzuwarten, wer sich von der Sondernutzung und dem Schimmel nicht abhalten lässt - immerhin ist dies der Münchner Wohnungsmarkt. Bis Montag müssen die Bewerbungen mit Gebot beim Kommunalreferat eingegangen sein. Seit acht Jahren steht das Haus nun leer.

Die letzte Bewohnerin war eine sogenannte Leichenfrau, zu deren Aufgaben es gehörte, die Toten zu waschen und anzukleiden; sie also für die Aufbahrung vorzubereiten. Die neuen Bewohner müssen keinerlei Zusatzqualifikationen in diese Richtung mitbringen. Hilfreich ist es aber mit Sicherheit, keinen übertriebenen Grusel gegenüber Friedhöfen und Toten zu hegen.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: