Verkehr:Klare Präferenz

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Während weiterhin Straßen gebaut werden, bleibt das Schienennetz auf dem Niveau der Dampflok-Ära.

Von Peter Bierl

Am Stadtrand ist Schluss. Passagiere aus dem ländlichen Westen wechseln vom selbstfahrenden Sammeltaxi in Tram und Bus. Während die Straßenbahn auf ihren Gleisen unbehelligt durch die Stadtviertel schnurrt, müssen sich Busfahrer den Weg durch Pulks von Radlern bahnen. So könnte der Verkehr im Jahr 2057 im Landkreis abgewickelt werden, effizient, schnell und sauber, würden Politiker die Weichen rechtzeitig und richtig stellen.

"Hätte, Hätte, Fahrradkette", um Christoph Maria Herbst aus der Fernsehserie "Stromberg" zu zitieren. Denn die Reise auf dem ausgetretenen Pfad der Autogesellschaft geht weiter. Die Zahl der Autos wächst von Jahr zu Jahr, in absoluten Zahlen und relativ, im Verhältnis zur Einwohnerzahl, die ebenfalls steigt. Statistisch gesehen verfügt jeder Landkreisbürger über 0,7 Fahrzeuge mit Motorantrieb. 1977 lag die Quote erst bei 0,4, also deutlich niedriger. Insgesamt sind mehr als 161 000 Fahrzeuge bei der Zulassungsstelle gemeldet, einschließlich Lastkraftwagen, Bussen, Traktoren und Motorrädern. Abgesehen von denen, die noch Bobbycar fahren, ausschließlich Rollatoren benutzen oder bewusst verzichten, dürften alle anderen je ein Auto besitzen.

Die Frage nach einer ausreichenden Zahl von Parkmöglichkeiten hätten die Autobesitzer vor dem Puc in Puchheim auch mit Ja beantworten können. Das in der SZ-Umfrage positiv bewertete Busangebot kann dort aber nur eingeschränkt genutzt werden. (Foto: Günther Reger)

Elektroautos fallen nicht ins Gewicht und sind nicht umweltfreundlicher als Benzinkutschen. Der Strom mag aus der Steckdose kommen, wird aber zu mehr als 50 Prozent in Kohle- und Atomkraftwerken produziert, für den Abbau von Bauxit für leichtere Karosserien wird Regenwald abgeholzt und Boden vergiftet.

Von einer Verkehrswende ist der Landkreis weit entfernt und damit auch von einer Energiewende. Ein Pluspunkt ist das System aus Bussen und Ruftaxen, das die Kreisbehörde geschaffen hat, das aber nicht ausreicht. Notwendig wäre der Ausbau der Bahn, der seit Jahrzehnten versprochen, aber nicht verwirklicht wird. Die Schieneninfrastruktur für den Nahverkehr ist seit der Einführung der S-Bahn 1972, eigentlich seit den Tagen der Dampflokomotive wenig verändert. Wie groß das Versäumnis ist, kann man ermessen, wenn man sich vorstellt, was es bedeuten würde, wenn das Straßennetz noch dem Niveau der Wirtschaftswunderzeit entspräche.

SZ-Grafik (Foto: iuz)

1950 verließen jeden Tag etwa 10 000 Pendler den Landkreis auf dem Weg zur Arbeit, davon sollen rund 6 500 die Vorortzüge benutzt haben. 2015 wurden etwa 54 000 Pendler registriert. Allein in den beiden Bahnhöfen Bruck und Buchenau zählte die Bahn im gleichen Jahr mehr als 16 000 Ein- und Aussteiger täglich. In der Struktur- und Potenzialanalyse des Landkreises ist die Rede davon, dass der Autoverkehr verringert werden soll.

Tangentiale Buslinien sollen verbessert und Radwege ausgebaut werden. Von einer Trambahn zwischen den Bahnhöfen Bruck und Gernlinden über den Fliegerhorst ist die Rede, die S 4 soll viergleisig ausgebaut werden. Papier ist geduldig. Die Straßenbahn wäre als Massenverkehrsmittel im Osten ein Zukunftsprojekt, wird aber von keiner Partei offensiv vorangetrieben, und auf den Protest der CSU gegen die Staatsregierung, die allenfalls noch ein drittes Gleis verlegen lassen will, warten die Pendler vergebens. Eine Umlandbahn haben Kommunalpolitiker vor einigen Jahren als überflüssig und unwirtschaftlich verworfen. Statt eine Verkehrswende einzuleiten, lautet die Devise: Augen zu und durch.

Die Autobahn bei Germering wird ausgebaut, die B 471 bekommt zwischen Esting und Olching vier Streifen und für die B 2 sind im Bundesverkehrswegeplan bei Mammendorf, Hattenhofen und Althegnenberg Umgehungen vorgesehen.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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