Münchner Unternehmen:Der Mann hinter der Internetseite des FC Bayern

Münchner Unternehmen: Vier Etagen, sanierter Altbau, hohe Decken, geräumige 1400 Quadratmeter. Stefan Leibhard hat für BTD ein Quartier nahe des Hauptbahnhofs gefunden.

Vier Etagen, sanierter Altbau, hohe Decken, geräumige 1400 Quadratmeter. Stefan Leibhard hat für BTD ein Quartier nahe des Hauptbahnhofs gefunden.

(Foto: Stephan Rumpf)

"Gegen SAP oder die Telekom sind wir eine Würstelbude": Stefan Leibhards Firma BTD kümmert sich um den Online-Auftritt des FC Bayern - und macht dabei den Lieblingssport der Deutschen zum High-Tech-Multimedia-Erlebnis.

Von Stefan Galler

An der Wand des offenen Aufenthaltsraumes hängen zwei Flachbildschirme. Auf dem einen sieht man, ständig aktualisiert in Form einer Fieberkurve, die Zugriffszahlen auf die Internetseite des FC Bayern. Und auf dem anderen werden in Echtzeit die Netzangriffe in aller Welt dargestellt. Was nach Tennis klingt, ist in Wahrheit eine große Bedrohung für die digitale Welt, und damit auch für Stefan Leibhard. Er klopft auf Holz: "Bisher ist noch keine Attacke durch unsere Firewalls gekommen", sagt er, schließlich könne man sich so etwas in seiner Branche nicht leisten. "Uns geht es mit den Internetangeboten wie den großen Warenhäusern: Wir müssen jeden reinlassen und hoffen, dass er nichts mitnimmt, was er nicht bezahlt hat."

Leibhard ist Gründer und Chef der Firma BTD. Sie hat ihren Hauptsitz in der Münchner Innenstadt, unterhält zudem kleine Büros in der Fröttmaninger Fußball-Arena. BTD steht für Beratungsgesellschaft für Telekommunikation und Datendienste, was zunächst mal wenig sexy klingt. Das, was der 41-Jährige und seine rund 120 Angestellten tun, ist dagegen sehr wohl spektakulär: Seit mehr als zehn Jahren verantwortet das Unternehmen die Internetseite des FC Bayern. Was die Seitenaufrufe angeht, so darf Leibhard keine offiziellen Zahlen herausgeben. Nur so viel: Der FCB hat 30 digitale Plattformen weltweit, er erzielt darüber mehr als eine Milliarde "Digitale Touchpoints" im Monat.

Spieler in der Eliteklasse

Das Unternehmen entwarf zudem das gesamte IT- und Zutrittskonzept für das Münchner Stadion. Am 1. Juli launcht BTD die neue offizielle Seite von Juventus Turin. "Hoffentlich mit einem Bild auf der Startpage, auf dem Gigi Buffon den Henkeltopf in die Höhe reckt", sagt Leibhard. In einer Woche kämpfen die Italiener mit dem FC Barcelona um den Titel in der Fußball-Champions-League.

Was technische Lösungen, Innovationen und potente Partner angeht, spielen Leibhard und seine Mitstreiter längst selbst mit in der Eliteklasse. Und dabei ist der Chef, bei allem Selbstbewusstsein, stets defensiv, was die Rolle seiner Firma angeht. "Der Konkurrenzkampf wird immer härter", sagt er, "man muss ständig Neues bieten, sich täglich beweisen." Und dabei darf das, was BTD anbietet, nicht viel kosten, denn Fußballvereine geben nicht gerne Geld für Computer, Webdesigner oder Ticketing-Systeme aus. "Sie werden immer in Beine investieren, das ist völlig klar", sagt der gebürtige Münchner. "Karl Hopfner hätte uns damals als Geschäftsführer des FC Bayern nie ins Boot geholt, wenn wir zu teuer wären."

Alles begann 1997, als BWL-Studienabbrecher Leibhard in Ottobrunn sein erstes Büro eröffnete. Zwei Jahre später zog die Firma um in die Pettenkoferstraße im Bahnhofsviertel, seit 2002 residiert BTD in der Goethestraße 34, wo das Unternehmen mittlerweile das gesamte Rückgebäude angemietet hat. Vier Etagen, sanierter Altbau, hohe Decken, geräumige 1400 Quadratmeter. Ein repräsentatives Quartier für ein Unternehmen, das im Bereich der Technisierung des Fußballgeschäfts Maßstäbe gesetzt hat. Derlei Superlative hört man in der Führungsetage von BTD gar nicht gerne: "Gegen SAP oder die Telekom sind wir eine Würstelbude", sagt Leibhard.

Ein Mailserver für den FCB

Die Kooperation mit dem größten deutschen Fußballverein begann 1999, zunächst lediglich auf der IT-Ebene. BTD stellte den technischen Bereich des FC Bayern neu auf, installierte überhaupt erst einen Mailserver: "Die Mitarbeiter bekamen neue Adressen, die nicht mehr @aol lauteten", sagt Leibhard. Mit der Webseite hatte das noch nichts zu tun. Damals versuchte ein Konsortium unter dem Namen Sportal Network weltweit Fuß zu fassen in der Internet-Sportwelt. Es kaufte die Rechte an zahlreichen Vereinen, etwa am AC Mailand, Paris St. Germain oder Sporting Lissabon. In Deutschland holte sich Sportal die Webseiten des 1. FC Kaiserslautern und des FC Bayern. Den technischen Support, etwa die Erarbeitung eines Redaktionssystems, übernahm BTD, beziehungsweise "Orange Digital", wie Leibhard den New-Media-Bereich seiner Firma nannte.

Als 2003 die Internet-Blase platzte, ging auch das Sportal-Netzwerk in Luft auf - und der große FCB drohte ohne Internetpräsenz dazustehen - schon damals wäre das eine ungeheure Blamage gewesen. "Wir haben in Abstimmung mit der Pressestelle des Vereins in einer Nacht- und Nebelaktion die Seite übernommen", erzählt der BTD-Chef. Der Beginn einer ergiebigen Zusammenarbeit: "Wir haben dem FC Bayern alles zu verdanken, er hat uns die Welt des Fußballs geöffnet."

Und doch muss sich seine Firma alle drei Jahre wieder ganz regulär darum bewerben, den Service auch in Zukunft anbieten zu dürfen. "Wir machen das ja nicht, weil wir gute Freunde sind", sagt Leibhard. Dass die Qualität stimmt, zeigt eine aktuelle Studie der United Digital Group, eine der führenden deutschen Internet-Agenturen. Zum wiederholten Male wurde die Internetseite des FC Bayern als beste der Bundesliga ausgezeichnet - beurteilt werden Design und Nutzerfreundlichkeit, E-Commerce, Social-Media-Engagement sowie Social-Media-Präsenz.

Wie Science Fiktion schreiben für den Fußball

Seit 2013 wurde sie durchgehend zur besten sämtlicher Champions-League-Vereine gekürt. Dabei wiegen die internationalen Referenzen schwerer, wie der 41-Jährige betont: "Bayern polarisiert so stark, dass man als Dienstleister, der für den Verein tätig ist, innerhalb der Bundesliga nicht immer sehr beliebt ist." Immerhin gibt es einen Klub, der sich davon nicht abschrecken lässt: Auch für Werder Bremen verantwortet BTD den Internetauftritt.

Die Entwicklung der gesamten technischen Ausstattung des Münchner WM-Stadions inklusive bargeldloser Bezahlung, Parkhaus-Logistik und Einlass-Automatik setzte nach seiner Eröffnung Maßstäbe - auch wenn einer der führenden Bayern-Funktionäre damals beim ersten Blick auf die 100 Quadratmeter-Anzeigetafeln despektierlich urteilte: "Da ist ja der Fernseher in meinem Wohnzimmer größer." Er konnte schlichtweg die Relationen im leeren Stadion nicht richtig einschätzen.

Auch Andere wurden auf Leibhards Firma aufmerksam, etwa die Veranstalter des African Cup of Nations 2010 in Angola. "Das Telefon klingelte, dran war ein Angolaner, der mir erklärte, dass sie 30 Jahre Bürgerkrieg hinter sich haben und jetzt Fußball spielen wollen." Für die Beratertätigkeit mussten er und seine Kollegen immer wieder nach Afrika reisen. "Einmal fuhren wir hinter dem Minenräumfahrzeug ins Stadion, das war schon heftig." Vor der WM 2014 wirkte das Unternehmen an der Ausstattung des Stadions in Belo Horizonte mit. "Ein fürchterliches Verlustgeschäft", sagt der Unternehmer. "In Brasilien haben zu viele Menschen nur ihre eigenen Interessen verfolgt."

Wlan im Stadtion zur neuen Saison

Ebenfalls problematisch entwickelt sich das Engagement der Münchner für die WM 2018 in Russland. In den Bewerbungsunterlagen, die schon vor mehr als drei Jahren entstanden, hatte BTD Visionen für den technischen Standard der Zukunft entworfen. "Das war wie Science Fiction für Fußball schreiben. Ein schmaler Grat zwischen realisierbaren Innovationsplänen und Fantasterei", sagt Leibhard. Mittlerweile ist er ziemlich ernüchtert: "Die politische Lage macht es sehr schwierig für uns. Und der Zeitplan ist total aus den Fugen geraten."

Aber die weite Fußballwelt ist für die Münchner Firma ohnehin nur die "Butter", wie Leibhard sagt. "Vereinsseiten wie jene des FC Bayern oder von Juventus, das ist unser täglich Brot." Und dafür haben seine Leute schon wieder zahlreiche Ideen: So sollen Netzprobleme für Mobilfunk und Internet in der Münchner Arena künftig der Vergangenheit angehören. "Wir testen derzeit eine große Wlan-Lösung, die zur neuen Saison laufen soll." Auch die umfangreiche Ausrüstung der Umläufe mit Flachbild-Displays, etwa an den Kiosken, soll den technischen Komfort erhöhen.

Doch nicht jeder Fan dürfte begeistert sein, wenn die Ablenkung vom eigentlichen Sport noch mehr Raum erhält. Schon jetzt erregt es den Unmut der Fans, wenn Zuschauer im VIP-Bereich nach der Pause zu spät auf ihre Plätze zurückkommen. Andere fühlen sich von jenen gestört, die andauernd auf ihr Handy starren. "Tradition ist super, aber wir können doch nicht die Welt aufhalten", sagt der Vater eines elfjährigen Sohnes. "Fußball kann nicht auf Steinzeitniveau bleiben. Die Jugend lebt mit technischen Innovationen, die Älteren eher nicht. Aber das Schöne am Fußball ist, dass im Stadion alle Bevölkerungsgruppen zusammenkommen."

Der Lieblingssport der Deutschen auf dem Weg zum High-Tech-Erlebnis

Und Leibhard und seine Mitarbeiter geben keine Ruhe: Neuerdings unterhält man "Bomp", die BTD-Online-Marketing-Plattform. Damit bringe man Technik und Vermarktung unter einen Hut. "Früher galten IT-Experten für die Marketing-Leute als die Nerds aus dem Keller. Jetzt bringen wir die Transferleistung, Marketing-Ideen technisch umzusetzen", sagt Leibhard. Die Sponsoren nutzen die Identifikation der Fans und die Online-Umgebung des Fußballvereins, um ihre Kampagnen so aufzupäppeln, dass sie für alle Seiten einen Mehrwert darstellen.

Der Lieblingssport der Deutschen ist auf dem Weg zum High-Tech-Multimedia-Erlebnis. Für Stefan Leibhard die einzige Chance, vorne zu bleiben: "Wenn wir nicht mitmachen, wird die Bundesliga den Anschluss verlieren. Dann spielen wir international keine Rolle mehr."

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