Unterhaltsvorschuss:Jugendamt hält an intimem Fragebogen fest

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Wenn Frauen den Vater als unbekannt angeben, erhalten sie 13 sehr intime Fragen vorgelegt. (Symbolbild). (Foto: picture alliance / dpa)

Wenn es um den Unterhaltsvorschuss geht, müssen sich Frauen vom Jugendamt auch weiterhin auf detaillierte Fragen zu ihrem Privatleben einstellen.

Von Sven Loerzer, München

Der umstrittene Fragebogen, mit dem das Jugendamt bei Anträgen auf Unterhaltsvorschuss herauszufinden versucht, ob Mütter den Vater ihres Kindes wirklich nicht kennen oder aber verheimlichen, bleibt weiter in Gebrauch. Die Erkenntnisse daraus aber würden weder an andere Behörden weitergegeben, noch versucht das Jugendamt selbst einen Vater ausfindig zu machen, versichert das Sozialreferat. Macht die Mutter keine genauen Angaben, wie es zur Schwangerschaft kam und kann sie nicht glaubhaft darlegen, warum sie keine Informationen über den etwaigen Vater besitzt, ist der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss ausgeschlossen.

Wenn Frauen beim Antrag auf Unterhaltsvorschuss den Vater als unbekannt angeben, erhalten sie einen Katalog mit 13 Fragen vorgelegt, die von Mitarbeitern des Fachbereichs Unterhaltsvorschussgesetz formuliert wurden. Die Fragen beschäftigen sich nicht nur damit, wo und wie die Frauen den "vermeintlichen Vater" kennengelernt haben und wie er aussah. Dabei wird auch detailliert nach dem Ort, Zeitpunkt und der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs gefragt, wie eine Mutter berichtete, die für ihre Tochter einen Unterhaltsvorschuss beantragt hatte. Die Mutter beschwerte sich, die Fragen seien diskriminierend, sexistisch und menschenverachtend.

In wie viel Fällen der Fragebogen zum Einsatz kommt, wird statistisch nicht erfasst. Nach Schätzungen des Jugendamts sind es etwa 30 Fälle im Monat, in denen beim Antrag auf Unterhaltsvorschuss kein Name oder nur der Vorname des Vaters als bekannt angegeben wird.

Derzeit erhalten mehr als 5800 Alleinerziehende Unterhaltsvorschuss, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, keinen Unterhalt bezahlen will oder kann. Damit ist die Zahl der Leistungsempfänger seit der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2017 deutlich gestiegen. Und die Zahl, zuvor 4500, wird noch weiter steigen, denn die Bezugsdauer wurde bis zum 18. Lebensjahr ausgeweitet und die Begrenzung auf sechs Jahre aufgehoben. Derzeit stapeln sich noch mehr als 4000 unbearbeitete Anträge im Amt. Der Stadtrat hatte bereits im letzten Jahr beschlossen, die bislang knapp 25 Stellen für Sachbearbeiter in den drei Schwerpunkt-Sozialbürgerhäusern zu verdoppeln, da nach einer Prognose damit gerechnet wird, dass die Zahl der Leistungsempfänger nach und nach auf etwa 13 000 ansteigen wird.

Sowohl nach dem Gesetz als auch den einschlägigen ministeriellen Richtlinien ist Voraussetzung für den Bezug des Unterhaltsvorschusses, dass die Mutter bei der Feststellung der Vaterschaft mitwirkt. Die konkreten Fragen, wie sie das Münchner Jugendamt stellt, sind zwar nach den Richtlinien nicht vorgegeben, würden aber auch von anderen Jugendämtern in ähnlicher Weise mit der gleichen Zielrichtung gestellt. Erscheinen die Angaben auf die Fragen unglaubwürdig und lebensfremd, wird der Sachbearbeiter den Antrag ablehnen, was in etwa zehn Prozent der Fälle geschieht, in denen Frauen aufgefordert werden, den Fragebogen zu beantworten.

Die Kosten des Unterhaltsvorschusses übernimmt der Bund zu 40 Prozent, die Länder tragen 60 Prozent. Die Auszahlung der Leistung obliegt den Kommunen, die auch die Verwaltungskosten tragen müssen. In Bayern übernimmt das Landesamt für Finanzen die Aufgabe, bei den Unterhaltspflichtigen, sofern möglich, den Vorschuss wieder einzutreiben.

Zuletzt lag die Rückholquote in Bayern bei knapp 35 Prozent, mit Abstand die höchste in einem Bundesland. Sollte sie unter 25 Prozent sinken, kann der Freistaat die Stadt an den Kosten für die Unterhaltsvorschussleistungen beteiligen. Schon deshalb hat die Stadt auch ein finanzielles Interesse daran, Unterhaltspflichtige benennen zu können.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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