Trendforscherin zu Ostern:Kurze Fluchten, lange Ohren

Osterdeko

Hasen überall: Osterdeko im Schaufenster eines Trachtenladens im Rostental.

(Foto: Florian Peljak)

Plastikeier und Deko-Hasen überall: Entwickelt sich Ostern zu einer Fortsetzung des weihnachtlichen Konsumrausches? Eine Trendforscherin erklärt das boomende Geschäft mit der Auferstehung.

Von Anne Goebel

Ostern 2014, das ist fast wie Weihnachten: Längst finden Bescherungen nicht mehr nur im Dezember unter dem Tannenbaum statt, auch zum Auferstehungsfest werden die Geschenke üppiger. Die Spielwaren- und Süßwarenindustrie meldet wachsende Umsätze. Dazu passt, dass viele Münchner Schaufenster schon seit Wochen bonbonfarbenen Kuschelnestern gleichen. Häschen, Federkränze, bunte Eier - sogar Apotheken oder Fahrschulen legen Pastelliges in ihre kargen Auslagen. Ein Gespräch mit der Trendforscherin Anja Kirig über Feiertage, Konsum ohne Grenzen und den Wunsch nach rührenden Geschichten.

SZ: Die Menschen scheinen in einen Geschenke- und Dekorationsstress zu geraten wie vor Weihnachten. Warum das alles, welche Sehnsucht steckt da dahinter?

Anja Kirig: Ich denke, man muss das von zwei Perspektiven betrachten. Es gibt die Wünsche der Verbraucher, und es gibt die Konsumebene, das heißt die Märkte, die natürlich von solchen Entwicklungen profitieren. Die Menschen haben offenbar den Wunsch, Feiertage wiederzuentdecken und neu zu inszenieren. Es gibt ein Bedürfnis nach Sicherheit und Halt, man möchte alte Traditionen pflegen. Das hat zu tun mit unserer globalen und hochindividualisierten Welt, in der kaum noch irgendwelche Pfeiler existieren. Die Arbeitswelt ist aufgebrochen, wir können rund um die Uhr konsumieren. Arbeitsfreie Wochenenden, Läden, die um halb sieben schließen, solche Grenzen existieren nicht mehr. Feiertage sind Störfaktoren in dieser Immer-On-Welt. Sie sind willkommene Anker.

Und den Geschäften mit dem passenden Sortiment passt es auch ganz gut.

Das ist die andere Seite. Die Konsummärkte springen auf diese Sehnsucht nach Feiertagen gerne auf. Das muss sich nicht widersprechen, wird aber auch kritisch gesehen. Ich denke, Feiertage brauchen heutzutage einen Mehrwert, um sich durchzusetzen. Der Valentinstag zum Beispiel hat mit Liebe zu tun. Es gibt auch neue Feiertage, die in der internationalisierten Welt zu uns herüberschwappen. Der Earth Day zum Beispiel, der die Nachhaltigkeit behandelt - man kann sich danach besser fühlen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt hat.

Und das Besondere an Ostern ist die religiöse Bedeutung?

Ich denke, bei Ostern geht es stark um die Rückbesinnung auf alte Werte. Es ist schließlich das wichtigste Fest in der christlichen Kirchentradition mit ganz eigenen Bräuchen, auch der Frühlingsanfang und eine neue Spiritualität spielen eine Rolle. Im Netz kann man nachlesen, dass die Leute sich austauschen darüber, wie sie sich auf das Fest vorbereiten, was sie kochen, wie sie sich gegenseitig inspirieren. Da ist ein Wunsch nach Verbundenheit zu spüren, der über dieses Fest ausgelebt wird - aller Individualisierung zum Trotz.

Gehört dazu auch der Wunsch nach Unglaubwürdigem? Die Mär vom Osterhasen passt doch nicht mehr in unsere Zeit.

Ja, da steckt sicher auch ein Stück Märchen drin. Der Wunsch, sich in unserer sehr realistischen Welt kurzzeitig in Geschichten zu flüchten, die fiktiv sind, die rührend sind und gut ausgehen. Das kann schnell in Überkonsum und Kitsch abdriften.

Wie schätzen Sie da das kritische Bewusstsein der Verbraucher ein?

Es ist schon so, dass wir in immer kurzfristigeren Konsumabständen leben. Man sieht das an der Deko in den Wohnungen, an den Schaufenstern. Im Frühsommer kommt dann wohl der Pfingstschmuck, was auch immer das sein mag. Aber die Entwicklung wird auch von vielen Menschen hinterfragt, die sagen, ich brauche nicht 365 verschiedene Tagesdekorationen in meinem Haus. Oder es gab hier neulich eine Aktion in der Stadt, die sich kritisch mit dem Massenkonsum von Lammfleisch zu Ostern auseinandergesetzt hat. Ich denke, da gibt es ein wachsendes Bewusstsein.

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