Terrordrohungen gegen Oktoberfest:Die Wiesn wird zur Festung

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Fahrzeuge werden kontrolliert, Taxis dürfen nicht mehr vorfahren: Nach den Terrordrohungen verschärft die Polizei die Kontrollen und sperrt Straßen weiträumig ab.

Susi Wimmer

Es bestehe kein Grund zur Panik, sagt Innenminister Joachim Herrmann. Die Besucher könnten ihre Wiesn-Maß in Ruhe genießen. Worte mit schalem Nachgeschmack: Denn Stadt, Polizei und Innenministerium haben gemeinsam zur dringlichen Pressekonferenz geladen. Der Grund: Drohungen des Terrornetzwerks al-Qaida, die man "sehr ernst" nehmen müsse, sagt der Minister.

Um die Wiesn hat die Polizei deshalb am Montag eine Sicherheitszone eingerichtet: Fahrzeuge werden kontrolliert, Taxis dürfen nicht mehr vorfahren, und die Polizeipräsenz wurde von 400 auf 700 Mann erhöht. Außerdem wurden am Samstag mit richterlichem Beschluss in München zwei Studenten aus Marokko und Tunesien präventiv in polizeilichen Gewahrsam genommen.

Sie sollen direkt, beziehungsweise indirekt in Kontakt mit al-Qaida-Sprecher Bekkay Harrach gestanden haben. Die Anwältin des 26-jährigen Marokkaners weist die Vorwürfe zurück und kündigte eine Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung gegen die Richterin an, die die Maßnahme gebilligt hatte.

"Rein aus Effizienzgründen", erklärt Joachim Herrmann, habe man sich zu einer Pressekonferenz in großem Stil entschieden. Und um den "Schulterschluss" zwischen Innenministerium, Polizei und Stadt zu demonstrieren, ergänzt OB Christian Ude. Schließlich sei man bei der Frage nach der Sicherheit immer zwei kritischen Polen ausgesetzt: "Ist es erforderlich, das Wiesnpublikum zu behelligen, wenn es eh keine absolute Sicherheit gibt? Oder: Wären noch mehr Sicherheitsmaßnahmen nötig?"

Nach sechs neuen Video-Drohbotschaften, die seit 18. September im Internet verbreitet wurden, und von denen sich zwei auf die Wiesn und die Zeit nach der Wahl beziehen, hat die Polizei nun an der Sicherheitsschraube gedreht. Neben den üblichen Maßnahmen wie uniformierten Streifen, selektiven Zugangskontrollen, zivilen Einsatzkräfte und Videoüberwachung wird ein Kontrollring rund um das Festgelände gezogen. Eingegrenzt von der Schwanthaler-, Ganghofer-, Lindwurm- und Herzog-Heinrich-Straße dürfen sich Festgäste nicht mehr mit dem Auto der Theresienwiese nähern.

Einfahren dürfen nur noch Lieferanten, Anwohner oder Menschen mit "berechtigtem Interesse". Nach der Kontrollstelle sollen stationäre und mobile Sperren etwaige Autobomben-Attentäter aufhalten. Man wolle die Wiesn "nicht zur Festung ausbauen", sagte Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer, aber es sei ja auch nicht dringend notwendig, "vor dem Riesenrad zu parken".

Auch die Taxifahrer bekommen das Sicherheitskonzept zu spüren: Alle Stände rund um die Wiesen sind seit Montagfrüh aufgelöst, auf dem Ring um den Festplatz herrscht absolutes Halteverbot, einziger Taxihalteplatz ist im Süden der Theresienwiese, auf dem Busparkplatz.

Dort hat man die 350 Stellplätze für Busse auf 200 reduziert. Schmidbauer appelliert an alle Verkehrsteilnehmer, die Parkplätze an der Hansastraße, der Messestadt-Ost und der Allianz-Arena zu nutzen - und die öffentlichen Verkehrsmittel. Letztere werden auch von uniformierten Streifen und Polizisten in Zivil überwacht. Außerdem bittet Schmidbauer die Bevölkerung um Aufmerksamkeit: "Melden Sie jede Auffälligkeit."

Natürlich, sagt Herrmann, könne man nicht alles für bare Münze nehmen, was von Seiten der Islamisten komme. "Da ist viel Propaganda dabei, das Ziel ist, Angst und Schrecken zu verbreiten." Aber man habe seit längerem viele Hinweise, unter anderem von befreundeten Geheimdiensten, dass an Anschlägen in Deutschland gearbeitet werde. Diese Gefahr werde auch über die Wiesn hinaus noch existieren.

Bereits seit Freitag hat der Bund ein Flugverbot über der Wiesn mit einem Radius von zwei nautischen Meilen und 3000 Fuß Höhe genehmigt. Nach dem 11.September 2001, so sagt Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle, hätte die Stadt dieses Flugverbot über dem Oktoberfest gerne alljährlich verhängt, "aber der Bund hat dies später immer ohne Begründung abgelehnt". Hermann will das Thema nach der Wiesn erneut mit dem Bund besprechen.

Derweilen treibt die Angst merkwürdige Blüten: Seit Tagen sind Geschichten in Umlauf von Leuten, die ein Portemonnaie mit viel Geld finden, diese pflichtbewusst dem Besitzer - einem Araber - zurückbringen, und dafür zum Dank den Rat bekommen: "Geh lieber nicht auf die Wiesn."

Ein Massenphänomen seien solche Geschichten, sagt Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer, und - ebenso wie die kursierende Story mit den acht gefundenen Bomben - blanker "Unsinn".

© SZ vom 29.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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