Tag der offenen Tür:Offene Geheimnisse

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Der Tag des Denkmals steht in diesem Jahr unter dem Motto "Handwerk, Technik, Industrie". Einige Gebäude haben nur an diesem Tag für die Öffentlichkeit geöffnet - wie die Montagehalle der Eggenfabrik

Von Ulrike Steinbacher, München

Denkmal, da fällt einem zunächst wahrscheinlich die Statue ein, die Kirche, der historische Stadtkern. Was sich nicht gleich aufdrängt, sind die Werkstatt, die Montagehalle, das Kraftwerk. Genau damit aber beschäftigt sich in diesem Jahr der Tag des Denkmals am kommenden Sonntag, 13. September. Unter dem Motto "Handwerk, Technik, Industrie" sind in München insgesamt 42 Objekte zu besichtigen, darunter solche, die schon zu ihrer Zeit echte Besonderheiten waren. Einige von ihnen sind für die Öffentlichkeit nur an diesem Tag zugänglich.

Die Anatomische Anstalt etwa: Normalerweise ist dort nur die Schausammlung geöffnet, am Sonntag aber veranstaltet das Staatliche Bauamt Führungen durch den neuklassizistischen Flügelbau, der zwischen 1905 und 1908 errichtet wurde. Wegen des Werkstoffs Eisenbeton für Fassaden, Wände und Decken zählt das Gebäude zu den ersten großen Stahlbetonbauwerken Deutschlands. Die Kuppel mit 22 Metern Durchmesser über dem Mikroskopiersaal gilt nach dem Armeemuseum, der heutigen Staatskanzlei, als zweite Kuppel in Deutschland, die in Eisenbeton ausgeführt wurde. Der halbkreisförmige Präpariersaal über zwei Geschosse war ein Novum im Hochschulbau (Pettenkoferstraße 11, Führungen um 10.30 und 13 Uhr).

Während die Anatomische Anstalt unverändert von der Medizin-Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität genutzt wird, hat ein anderes Denkmal seine Funktion längst gewechselt: Aus dem Obersendlinger Gasheizkraftwerk, das in den Sechzigerjahren erbaut wurde, ist der Flagship-Store eines Möbelhauses geworden. Raumaufteilung, Lastenkran und Schaltanlagen sind erhalten geblieben, die Führungen schließen den sonst nicht zugänglichen Turmbereich ein (Drygalski-Allee 25, Führungen um 11 und 13 Uhr, Anmeldung erforderlich unter j.brandes@s2lab.de).

Natürlich dürfen auch Kirchen an diesem Denkmal-Tag nicht fehlen, genauer gesagt ein Kirchturm: Der Campanile der Pfarrkirche St. Ursula in Schwabing ist 64 Meter hoch und bietet bei schönem Wetter einen Panoramablick. Wer hinauf will, muss aber schwindelfrei sein und Kondition haben (Kaiserplatz 1, 14 bis 17 Uhr, Turmführungen mit jeweils maximal acht Personen alle 30 Minuten, Anmeldung erforderlich unter lit.art@t-online.de oder Telefon 27 265 741). Bereits ausgebucht sind die beiden Führungen im Palais Holnstein, dem Dienstsitz von Kardinal Reinhard Marx.

Ein historisches Wohnviertel steht ebenfalls auf dem Programm: Franz Schröther bietet für die Geschichtswerkstatt Neuhausen einen zweistündigen Spaziergang durch die Villenkolonie Gern an, 1892 entstanden als erste Reihenhaussiedlung in München und gedacht für bildende Künstler, die von diesem Angebot begeistert Gebrauch machten (Treffpunkt ist die Brücke am Nederlinger Platz, 14 Uhr; der Kontakt: geschichtswerkstatt-neuhausen@web.de oder Telefon 13 999 689).

Dass eine andere Wohnanlage am Denkmal-Tag seine Türen öffnet, verweist dagegen auf einen jüngst ausgefochtenen erbitterten Konflikt um Nachverdichtung: Die Ludwig-Richter-Höfe in Laim aus den Zwanzigerjahren mit 27 Mehrfamilienhäusern umschließen einen idyllischen Innenhof. Da das Dachgeschoss des Karrees ausgebaut wird, sollte im Hof eine Tiefgarage entstehen. Die Bewohner wehrten sich, erreichten den Eintrag der Anlage in die Denkmalliste und verhinderten die Parkgarage (Schedelstraße 5, geöffnet von 10 bis 18 Uhr, Führungen stündlich, Kontakt: isaguarino@aol.com).

Bleiben dann doch noch Werkstätten und Fabriken mit Denkmal-Potenzial nachzutragen. Zum ersten Mal geöffnet ist am Denkmal-Tag die Kunstgießerei in der Maxvorstadt, die seit 1905 praktisch unverändert im Rückgebäude eines Mietshauses besteht (Schleißheimer Straße 72, 11 bis 18 Uhr, Führungen um 11, 13 und 17 Uhr). Und auch die sonst verschlossene Montagehalle der Eggenfabrik in Pasing, die mehr als 100 Jahre alt ist, öffnet ihre Tore (Hildachstraße 19, Führung 14 Uhr).

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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