Szene-Kolumne:Warum gibt es kaum Aperitivo in München?

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Spritz, Hugo oder dergleichen kann München schon gut. Aber wo sind die Häppchen? (Foto: Catherina Hess)

Nördlichste Stadt Italiens, heißt es oft. Aber warum verzichtet man in München dann auf eine der köstlichsten kulturellen Praktiken aus dem Süden?

Kolumne von Oliver Klasen

Sie sagen ja immer, München sei die nördlichste Stadt Italiens. Das stimmt aber höchstens mit sehr viel gutem Willen. Und weil der nicht immer gegeben ist, muss man ab und zu richtig nach Italien fahren. Zwar ist ein verregneter Sonntag auch dort ein verregneter Sonntag, aber immerhin prasselt der Regenschauer Anfang Dezember mit 13 statt mit drei Grad vom Himmel. Einen Schirm hat man trotzdem nicht dabei, denn kein Mann der Welt zwischen 13 und 63 Jahren versteht es, diesen Regenschutz auf würdige Art zu tragen. In Bologna braucht man aber ohnehin keinen Schirm, denn Bologna ist die Stadt der Arkaden.

So sitzt man also abends nahe der berühmten Universität unter einem dieser mittelalterlichen Bögen vor einer Bar. Auf dem Tisch stehen ein kaltes Getränk und ein paar Häppchen. Focaccia mit Zucchini, Reissalat mit Fenchel, gegrilltes Gemüse. Einen Teller, auf dem man die Häppchen stapeln kann, bekommt man, wenn man ein Bier, einen Wein oder einen Cocktail bestellt.

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Auf die Getränke gibt es zwar oft einen kleinen Aufschlag, dafür ist das Vorspeisenbüffet dann umsonst. Aperitivo nennen die Italiener das. Eine Tradition, die in Mailand groß geworden und mittlerweile in vielen italienischen Städten verbreitet ist. Manchmal sind die Kleinigkeiten, die eigentlich als Appetitanreger gedacht sind, so üppig, dass man das Abendessen ausfallen lassen kann.

Könnte man nicht ein bisschen von diesem Lebensgefühl in die winterliche Heimat hinüberretten? München ist doch sonst so italienisiert. Einer unserer ewigen Stadthelden heißt Monaco Franze, wir sagen Ciao und bestellen Cappuccino, allerdings entgegen italienischer Gepflogenheiten auch nachmittags. Außerdem trinken wir Aperol Spritz. Der ist bei uns, anders als in Italien, eher ein Frauengetränk und viele Münchner Barkeeper können ihn inzwischen nicht mehr sehen. Aber er eignet sich perfekt für den Aperitivo.

Den gibt es in München nur an wenigen Stellen. Zum Beispiel in der Nähe des Viktualienmarktes, wo eine Bar den Aperitivo sogar im Namen trägt. Auch das Quattro Tavoli im Dreimühlenviertel hat es eine Zeitlang versucht und samstags ein Vorspeisenbüffet aufgebaut. Aber es wurde wieder abgeschafft, weil den Gästen das Prinzip wohl unklar gewesen sei, sagt der Betreiber. Flächendeckend durchgesetzt hat sich der Aperitivo also noch nicht.

Liegt es daran, dass die Gastronomen den typisch deutschen Pauschalurlauber vor Augen haben, der sich gefräßig über das Buffet hermacht? Befürchten sie, dass sie 14 Euro für den Aperol Spritz nehmen müssten, um irgendwie auf ihre Kosten zu kommen? Probiert es aus und erklärt es den Kunden besser, möchte man den Gastronomen zurufen. So ein Aperitivo ließe sich übrigens wunderbar mit Lesungen, Jazz-Konzerten oder Kunstausstellungen kombinieren. Es gäbe also Ideen für Münchens Szene jenseits von Gin-Bars, Burgerläden und Craftbier-Shops.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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