SZ-Serie: "Wo Nachbarn miteinander ins Gespräch kommen", Folge 3:Kommunikation am Kas-Standl

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Auf dem Planegger Marktplatz wird es vor allem freitags so richtig lebendig, wenn die Fieranten kommen. Dann preisen die Händler Bio-Eier an, und die Kundschaft redet zwischen den Einkäufen über den nächsten Urlaub

Von Rainer Rutz

Als in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts der heutige Marktplatz gegenüber der Kirche von St. Elisabeth entstand, wollte die Gemeinde dort einen zentralen Platz etablieren für diverse Veranstaltungen, verteilt über das ganze Jahr: Weinfeste, Wander-Zirkusse, politische Veranstaltungen im Zelt, Events für Kinder. Die Idee eines Wochenmarkts bot sich an, zumal mit den Jahren die Proteste von Anwohnern über Ruhestörungen durch größere Feste im Zelt mit Musik immer stärker wurden, es gab Unterschriftenlisten dagegen und sogar Demonstrationen. Heute ist Frieden eingekehrt, und das Areal um den Valentinsbrunnen dient in erster Linie dem Freitagsmarkt, größere Veranstaltungen und Feste finden am Marktplatz kaum mehr statt. Vor zwei Jahren gab es hier das Willkommensfest für Flüchtlinge, im vorigen Jahr fand ein Open-Air-Rockkonzert der Gemeinde statt.

Über das Ovale ins Gespräch kommen: Michele Tirabasso Junior und Senior, Eierbauern aus Buchendorf, bieten ihre Waren in Planegg an. (Foto: Catherina Hess)

Der Planegger Marktplatz hat seine Funktion gefunden, wurde von der Gemeinde mittlerweile aufgehübscht mit überdimensional gestalteten roten Pflanztrögen, neuen Bänken und neuen Wegebeziehungen, wobei die riesigen roten Tröge beileibe nicht jedermanns Geschmack sind. Der Supermarkt im südlichen Teil ist verschwunden und hat der Volkshochschule Platz gemacht, der Spielplatz wurde ausgebaut und es gibt sogar eine kleine Pizzeria. Vor allem aber ist der über die Woche eher öde wirkende Platz freitags am Vormittag zum beliebten Treffpunkt geworden für alle, die nicht nur hochwertig und oft biologisch-nachhaltig einkaufen wollen, sondern den Bummel durch die rund 15 fahrenden Geschäfte der Fieranten mit einem Schwätzchen verbinden wollen. Denn eines ist klar: Es gibt hier fast nur Stammkunden, man kennt sich. Nicht marktschreierisch geht es hier zu, eher dezent, man pflegt den Austausch auch zu den Händlern, die zum größten Teil aus den Landkreisen München, Starnberg und Fürstenfeldbruck seit vielen Jahren immer wieder hierher kommen: Die Fischmänner Peter und Paul, Sadak, der Orientale, der Konradhof oder der Wagen vom Friedlichen Landbau, wo sich stets, wie auch beim Käse-Abt, Schlangen von Wartenden bilden. Und beim Warten tauscht man sich aus: Es geht um Urlaube, Nachbarn, manchmal auch die Politik, natürlich die Gesundheit. Weit überwiegend sind die Besucher des Wochenmarkts jenseits der 60, manchmal stehen aber auch ein paar Mütter mit ihren Kinderwägen zusammen. "Und, wo geht's dieses Jahr im Urlaub hin", fragt eine, "wieder nach Kroatien?" Dass sich die Welt verändert hat, sieht man an der Antwort der Freundin: "Nein, wir bleiben im Land, mein Mann sagt, ins Ausland kann man nicht mehr fahren. Und du?"

Ein Plausch beim Warten: Der Wochenmarkt in Planegg bietet viele Gelegenheiten, Leute zu treffen und Neues zu hören. (Foto: Catherina Hess)

Bei ihr geht es in die Ferne: "Wir trauen uns was: Wir haben einen Bungalow in Thailand gemietet - für kleine Kinder soll es da wunderbar sein", entgegnet die junge Frau. Ein ganz anderes Thema wird beim Nachbarstand zwischen zwei älteren Männern ausgetauscht: "Was, du rauchst wieder? Hattest du nicht aufgehört?" Der andere gibt zu: "Schon, fast zehn Jahre hab ich's ausgehalten, aber zur Zeit bin ich irgendwie nervös, das Knie schmerzt und die Zigarette beruhigt halt doch."

Zwischendurch kann man sich von Alois Brandl eine Portion seines Honigs zapfen lassen. (Foto: Catherina Hess)

Beim Eier-Stand daneben erklärt der Händler einer Kundin, warum seine Eier nicht nur XXL und bio sind, sondern einfach etwas Besonderes: "Bei uns werden die männlichen Küken nicht getötet, sie werden aufgezogen und dürfen frei leben." Ein neuer Trend sei das, sagt der Bauer, angesichts der Kritik am millionenfachen Schreddern männlicher Küken in Deutschland. Dafür kosten die Eier auch ein wenig mehr - die beeindruckte Kundin nimmt trotzdem oder gerade deshalb 20 Stück.

Bei der Auswahl der Fieranten legt man Wert auf Solidität, sagt Planeggs Ordnungsamts-Leiter Martin Götz, nicht jeder darf hier verkaufen, Ramschware wird man deshalb hier nicht finden. Um das zu regeln, hat der Gemeinderat eigens eine zehnseitige Verordnung erlassen, an die sich jeder halten muss.

Wenn der Sommer kommt, wird der Marktplatz übrigens auch an den marktfreien Tagen zum Treffpunkt von Jung und Alt - wenn der Karl-Valentin-Brunnen wieder in Betrieb ist und sich seine kleinen Kanäle mit Wasser füllen. Dann sitzen hier Mütter und Väter, Opas und Omas, schauen den Kleinen bei Wasserspielen zu und tauschen Neuigkeiten aus.

Am Mittwoch lesen Sie: das Erzählcafé in der Schwabinger Seidlvilla

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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