SZ-Adventskalender:Ein großer Traum

Die Direktorin des Blindenzentrums Unterschleißheim wünscht sich finanzielle Hilfe für die Betreuung in den Sommerferien

Von Claudia Wessel

- Zwei Tage vor den Sommerferien 2012 war Stella (Name geändert) plötzlich weg. In der Edith-Stein-Schule kam Panik auf - wo konnte das 16-jährige blinde Mädchen denn bloß sein?

200 Kilometer weiter wurde sie schließlich gefunden. Stella hatte sich einfach in irgendeinen Zug gesetzt, wollte nur weg. Zum Glück konnte ihr Handy von der Polizei geortet werden. Dann musste sie also doch nach Hause, in ihre Familie. Und genau das hatte sie eigentlich vermeiden wollen. Und tatsächlich eskalierte die Situation dann im Laufe der großen Ferien. Nicht zum letzten Mal. Die Eltern brachten die schwierige Jugendliche schließlich in die Kinder- und Jugendpsychiatrie, Monate später kam sie wieder in die Schule; ein paar Wochen später gab es zu Hause erneut Streit und die Mutter warf die Tochter raus. Die flüchtete zurück in die Psychiatrie.

Ein anderer Fall, der eine Woche vor den Sommerferien geschah: Ein blindes, 18-jähriges Mädchen ließ sich von der Schutzstelle des Jugendamtes abholen. Es wurde anonym an einen unbekannten Ort gebracht, der Kontakt zur Familie war damit gekappt. Der Grund waren massive Probleme zu Hause, mit denen sich das Mädchen keinesfalls mehr konfrontieren wollte.

Was Hildegard Mayr, die Direktorin des Sehbehinderten- und Blindenzentrums Südbayern, den Edith-Stein-Schulen in Unterschleißheim, mit der Schilderung dieser Fälle erklären möchte: Die Ferien sind für viele Kinder und deren Eltern nicht etwas, das sie herbeisehnen, sondern oftmals ganz im Gegenteil die schwierigste Zeit des Jahres.

Familiäre Konflikte und Probleme brechen auf, die völlige Überforderung vieler Eltern tritt deutlich zutage. Genau wegen dieser Brisanz war die Idee, die Hildegard Mayr 2010 hatte, so genial - eine Ferienbetreuung für sehbehinderte und blinde Schüler in den teilweise allzu langen Sommerferien.

Das Konzept wurde ausgearbeitet und dem Bezirk Oberbayern vorgelegt. Im Januar 2012 kam die Zusage. 20 Eltern meldeten ihre Kinder an, freuten sich auf die dringend notwendige Entlastung. Doch im Juni 2012 dann die plötzliche Absage des Bezirks. Man finde das Konzept zwar sehr gut, teilte man mit, doch leider falle es doch nicht unter die Paragrafen, nach denen es gefördert werden könne. Die Verzweiflung bei vielen Eltern war groß, vor allem bei den Alleinerziehenden. "Wo soll ich mein blindes Kind jetzt hingeben?", fragte ein Vater. Keine andere Ferienbetreuung sei bereit, es zu nehmen, und wäre damit auch vermutlich überfordert.

"Die Ferienbetreuung doch noch zu realisieren, das wäre unser großer Traum", sagt die Unterschleißheimer Direktorin Hildegard Mayr. Nur Kinder mit Pflegestufe können für die Finanzierung einer solchen "Ferienverkürzung" auf Geld aus der "Verhinderungspflege" hoffen - für zwei Wochen Übernachtung und Essen. Alles, was darüber hinaus geht, müsste durch Spenden finanziert werden.

Für Kinder ohne Pflegestufe gibt es überhaupt keine Kostenträger. Und trotzdem brauchen gerade viele von ihnen eine intensive Betreuung in der Ferienzeit. Gerade wenn die Familie daheim überfordert ist.

Wenn der große Traum sich nicht realisieren lässt, so braucht man im Sehbehindertenzentrum Spenden, um zahlreichen sozial schwachen Familien zu helfen. Sie können es sich oft nicht leisten, die teuren, aber wichtigen Hilfsmittel für ihre sehbehinderten oder blinden Kinder zu kaufen. Da gibt es etwa den sprechenden Taschenrechner für 152,95 Euro, das Farberkennungsgerät für 199 Euro, ein Abspielgerät für digitale Hörbücher zum Preis von 389 Euro, ein Navigationsgerät für Blinde und hochgradig Sehbehinderte für 879 Euro.

Sehr hilfreich ist auch der PenFriend Etikettenleser, mit dem die Blinden unabhängig von fremder Hilfe werden (99 Euro). Für die Internats-, aber auch für die Tagesschüler würde man auch gerne Spiele für Blinde mit speziellen Spielbrettern anschaffen.

Das Sehbehinderten- und Blindenzentrum in Unterschleißheim nördlich von München besteht seit 1983 und bietet Bildungsbausteine von der schulvorbereitenden Einrichtung über die Heilpädagogische Tagesstätte sowie das Heilpädagogische Internat bis zum ambulanten Wohnen und der Realschule.

Und der Rehabilitations-Fachdienst lehrt Praktisches - das Gehen und Wahrnehmen mit Hilfe des Stocks, das Kochen, Anziehen oder das Lesen der Uhr.

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