Suspendiert nach Mobbingvorwürfen:Bürgermeister kämpft um sein Amt

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Als erster Rathauschef Bayerns war er wegen Mobbingvorwürfen seines Amtes enthoben worden: Der Taufkirchener Oberbürgermeister Pötke wehrt sich in einer neunstündigen Verhandlung gegen seine vorläufige Suspendierung. Die Liste der Vorwürfe umfasst etwa ein Dutzend Punkte.

Von Iris Hilberth

Für ein Wiedersehen mit Jörg Pötke musste man viel Zeit einplanen. Der Mann hat einiges zu sagen über die vergangenen vier Jahre. Auch vor Gericht, oder gerade dort. Die 19. Kammer des Verwaltungsgerichts München behandelte am Dienstag von früh bis spät das, was der einstige Zahnarzt zwar vollzogen hat, aber bis heute nicht akzeptiert: seinen Rückzug als Bürgermeister von Taufkirchen infolge der vorläufigen Dienstenthebung durch die Landesanwaltschaft im November vergangenen Jahres.

Fast neun Stunden lang ließ sich Richterin Cornelia Sauter-Schwarzmaier Punkt für Punkt erläutern, was Pötke und sein Anwalt von den Vorwürfen von Oberlandesanwältin Karin Siller halten. Es wurde ein nerven- und zeitraubender Ritt durch Verwaltungsvorschriften, Dienstanweisungen und E-Mail-Verkehr in der Pötkeschen Amtszeit mit einem Riesenstapel voller Akten im Gepäck, um letztlich die Frage zu klären, ob Siller in der Annahme richtig liegt, dass der Bürgermeister von der "Initiative Lebenswertes Taufkirchen" (ILT) seine "Fürsorgepflicht in grobem Maße verletzt und ein schweres Dienstvergehen begangen" hat.

Am Ende des Tages hing ein Großteil der Besucher erschöpft auf den Stühlen und die Richterin blickte mit müden Augen ebenso etwas ermattet auf Pötke, der noch eine letzte Anmerkung machen wollte. Eine Entscheidung gab es noch nicht. Ob es bei der Dienstenthebung bleibt oder Pötke etwa demnächst wieder im Rathaus den Chefsessel einnehmen darf, wenigstens bis sein Disziplinarverfahren abgeschlossen ist, will sich das Gericht jetzt in Ruhe überlegen und den Beteiligten dann schriftlich mitteilen.

"Hampelmann" und "Affentheater"

Pötke hatte im Vorfeld des Verfahrens betont, froh darüber zu sein, endlich an neutraler Stelle über die Ereignisse im Rathaus berichten zu können. Etwa darüber, dass er Gemeinderatbeschlüsse wie Umbauten am Hohenbrunner Weg nicht vollzogen hätte, dass er nicht parteineutral im Gemeindeblatt berichtet oder die Hallo-Buttons entgegen der Entscheidung des Gremiums verteilt hätte. "Verächtliche Bemerkungen" gegenüber Gemeinderatsmitgliedern wie "Hampelmann" oder "Affentheater" begründete er mit der "Diskussionsatmosphäre, die nicht in Ordnung" gewesen sei. Doch sei der raue Ton von allen Seiten angeschlagen worden. Alles Kleinkram im Vergleich zu jenen so genannten Mobbing-Vorfällen, an denen die Landesanwaltschaft den Vorwurf der Verletzung der Fürsorgepflicht festmacht.

Hier kam ein Detail zur Sprache, was sich beide Seiten bereits seit der Revolte der Rathausbediensteten im Januar vergangenen Jahres vorwerfen; die Sache mit der eingezogenen Wand in der Bauabteilung, die dadurch ausgesprochene Kündigung des Mitarbeiters, Pötkes Einreichung seiner Anwaltskosten im Rathaus, die dann allerdings nicht erstattet wurden.

Es wurde über seine Pressemitteilung aus dem vergangenen Sommer diskutiert, von der sich die Bediensteten diffamiert fühlten, da alte Disziplinarverfahren angeprangert wurden, mit denen die jetzige Belegschaft nichts zu tun hat. "Wenn man die Aufzählung der Missstände liest, hat man das Gefühl, dass hier 50 Halbkriminelle arbeiten", sagte Oberlandesanwältin Siller. Pötke aber blieb dabei, dass dies "keine Falschaussagen" seien und er zudem die Belegschaft ausdrücklich auch gelobt habe. Gerechtfertigt hat sich Pötke auch gegen den Vorwurf der schikanösen Fristsetzung an seine Bediensteten. Er habe häufig keine Antwort erhalten. So seien die Fristen immer kürzer geworden, sagte er.

Lange Strecken beschäftigte sich das Gericht mit dem Verhalten Pötkes gegenüber einer seiner leitenden Angestellten, die inzwischen ihr einstiges privates Verhältnis zum Bürgermeister öffentlich gemacht hat und im Jahr 2012 zudem schwer erkrankte. Pötke wird vorgeworfen, die Ärztin der Frau kontaktiert zu haben und sie im Krankenstand mit E-Mails behelligt zu haben.

Umgangsformen spaltet Taufkirchen

Schwerwiegend ist auch die interne Korrespondenz des ehemaligen vierköpfigen Führungszirkels des Rathauses, deren verletzende Inhalte wie die Bezeichnungen "Kakerlaken" und "Pappnasen" inzwischen bekannt sind. Ein Raunen ging durch den Saal, als die Richterin aus dem Mail-Verkehr vorlas. Zitat: "Totschlag von Herrn Schwab - jeder bezeugt dem anderen, dass es Notwehr war." Das hatte zwar Pötke nicht selbst geschrieben, er räumte aber ein, diesen "robusten und unangemessenen Ton" nicht unterbunden zu haben.

Die Meinung im Publikum nach langer Verhandlung war geteilt, wie Taufkirchen selbst. Er habe sich noch mehr verstrickt, meinte eine Zuhörerin, während ein anderer fand, dass man bei solchen Vergehen fast jeden Bürgermeister entlassen müsse.

© SZ vom 27.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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