Streit mit Bezirk Oberbayern:Dramatisch zugespitzt

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Zwei Standorte haben die Mathilde-Eller-Schule und ihre heilpädagogische Tagesstätte, einen an der Margarethe-Danzi-Straße in Laim (Bild) und einen in der Innenstadt. Jedoch: Es werden noch Mitarbeiter gesucht. (Foto: Robert Haas)

Die Stadt findet kaum Erzieher für ihre heilpädagogische Tagesstätte in Laim. Im Herbst könnten dort mehr als 100 Kinder ohne Platz dastehen - geistig behinderte Kinder, für die es nicht einfach eine Alternative gibt. Das Bildungsreferat will von einem Problem aber nichts wissen

Von Melanie Staudinger

Die Liste der Stadt liest sich nüchtern, so nüchtern, dass man fast glauben möchte, es stünden keine Menschen dahinter. Seit September fehlten in der heilpädagogischen Tagesstätte der Mathilde-Eller-Schule acht zusätzliche pädagogische Kräfte im Fachdienst, steht dort geschrieben. Im Gruppendienst gibt es zudem sechs Erzieher zu wenig, von April an steigt diese Zahl auf acht. Und im kommenden September werden 15 Stellen unbesetzt sein. Die Psychologin hat schon vor eineinhalb Jahren gekündigt und wurde bis heute nicht ersetzt. Das hat Folgen für den Betrieb: Einen psychologischen Fachdienst gibt es nicht mehr, die heilpädagogische Einzelförderung wurde eingestellt. Neue Schüler werden nicht mehr aufgenommen, obwohl die Stadt als Trägerin dies mit dem Bezirk Oberbayern, der für die Finanzierung zuständig ist, so vereinbart hat.

In der heilpädagogischen Tagesstätte an der Mathilde-Eller-Schule spitzt sich der Erziehermangel dramatisch zu, so dramatisch, dass die Eltern nun um die Betreuungsplätze ihrer geistig behinderten Kinder fürchten. In dieser Woche musste nach Angaben des Elternbeirats der Betrieb von zwei Gruppen eingestellt werden. Die Kinder wurden auf andere Gruppen verteilt. Schon Ende Januar hatte die Einrichtung Alarm geschlagen. In einem Gespräch mit der Heimaufsicht und dem Bezirk berichteten die Verantwortlichen der Tagesstätte, dass sie mit den verbleibenden Mitarbeitern von September an höchstens sechs Gruppen betreiben können. "Vereinbart sind insgesamt 19 Gruppen für beide Standorte, sodass wir über eine Größenordnung von Gruppenschließungen von bis zu 13 Gruppen sprechen", schreibt ein Mitarbeiter des Bezirks Oberbayern an das Bildungsreferat der Stadt. Das beträfe "ungefähr 104 Kinder und Jugendliche, für die im schlimmsten Fall kein Platz zur Verfügung stehen würde". Auf Nachfrage allerdings erklärt ein Sprecher des Referats: "Es gibt aktuell keine Pläne, Gruppen zu schließen."

Immer wieder wandte sich der gemeinsame Elternbeirat von Schule und Tagesstätte an die Stadt mit der Bitte, endlich für eine ausreichende Zahl von Mitarbeitern zu sorgen. Und immer wieder scheiterte er an den Verstimmungen zwischen dem Bezirk Oberbayern und der Stadt München, die sich uneins sind, wie die heilpädagogische Tagesstätte betrieben werden soll. Zuerst fehlte der Platz, dann das Personal und nun auch Geld. Niemand übernimmt die Verantwortung, und die Eltern verzweifeln an der Frage, ob die Stadt als Trägerin überfordert ist oder ob die Finanzierung des Bezirks nicht ausreicht. Im vergangenen September schien eine Lösung greifbar nahe zu sein. Die Klassen 1 bis 7 zogen an ihren neuen Standort an der Margarethe-Danzi-Straße, die Klassen 8 mit 12 verblieben im alten Schulhaus an der Klenzestraße. Mit dem Bezirk vereinbarte die Stadt, genügend Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. 220 Plätze seien versprochen worden, berichtet der Elternbeirat. Die Stadt spricht von 165. Es gebe "derzeit ausreichend Plätze", sagt ein Sprecher des Bildungsreferats, räumt aber ein, dass seit Jahresbeginn fünf Kinder nicht aufgenommen werden konnten, weil Personal fehlt. Für sie aber sei der Bezirk zuständig, er müsste Ersatzeinrichtungen anbieten. Doch das geht nicht so einfach. Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung benötigen in der Regel eine Förderung in einer der wenigen heilpädagogischen Tagesstätten und sind auf einen Fahrdienst angewiesen. Der Bezirk Oberbayern versucht daher, mit dem Bildungsreferat eine Lösung zu finden - offiziell habe die Stadt zwar über die angespannte Personalsituation, nicht aber über Gruppenschließungen informiert, sagt seine Sprecherin. Alle Seiten müssten bestrebt sein, endlich genügend Plätze direkt bei den beiden Schulstandorten zu schaffen. Der Bezirk könne die Sorgen der Eltern gut nachvollziehen: "Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und hoffen, mit dem Träger eine einvernehmliche Lösung zu finden." Und man fordere von der Stadt, das Personal wie vereinbart zu beschäftigen. Ob sich an der schwierigen Mitarbeitersituation bald etwas ändert, ist allerdings fraglich. Schon jetzt gebe es nur wenige Bewerber, teilt das Bildungsreferat mit. Erzieher verdienen nicht viel, an der Tagesstätte gibt es zudem fast nur Teilzeitstellen, weil die Pädagogen nur nach Schulschluss am Nachmittag arbeiten. Und selbst dieses Stundenkontingent wurde nun noch einmal deutlich reduziert. Die Eltern hoffen nun, dass das Bildungsreferat die Stellen wieder aufstockt - um zumindest das vorhandene Personal zu halten.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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