Streit um Radlkampagne:"Wie auf der Autobahn zur Ferienzeit"

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Wenn der Sommer kommt, wird es auf Münchens Radwegen oft gefährlich eng. Und die Kritik an der Radlkampagne wird immer lauter.

M. Völklein

An solchen Tagen ist das große Piktogramm auf dem Marienplatz eigentlich fast nicht mehr zu sehen. Bis zu 30 Grad, herrlicher Sonnenschein - da zieht es die Radlfahrer ins Freie. Auch auf der Radlerfurt am Marienplatz, auf der seit Mitte April das Radler-Piktogramm für die "Radlhauptstadt München" wirbt, geht es an diesem Mittwoch eng zu.

Fährt da vielleicht Münchens Radlstar? Die Stadt sucht bei einer Aktion den Lieblingsradler der Münchner. (Foto: sz.lokales)

Aber nicht nur dort drängeln sich die Velofahrer: Entlang der Isar fuhren die Münchner in Kolonnen, an den Ampeln bildeten sich Trauben. "Wahnsinn, was hier los ist", staunte eine Radlerin an der Luitpoldbrücke. Und eine andere am Marienplatz meinte mit Blick auf das Radlhauptstadt-Logo: "Wozu braucht es da noch eine Imagekampagne? München ist längst Hauptstadt der Radler."

Tatsächlich aber legen die Münchner im Schnitt nur 14 Prozent ihrer Wege durch die Stadt per Fahrrad zurück. Das ist aus Sicht der Stadtspitze zu wenig, sie will den Anteil steigern. Und nimmt dafür Geld in die Hand: Von ursprünglich 1,5 auf 4,5 Millionen Euro pro Jahr hatte der Stadtrat im vergangenen Sommer die Fahrradpauschale erhöht.

Damit sollen unter anderem Radwege ausgebaut und Radnetze ausgeschildert werden - und eben noch mehr Münchner davon überzeugt werden, aufs Rad zu steigen. Deshalb hat die Stadt von dem Geld in diesem und im nächsten Jahr jeweils 950.000 Euro für eine Radlhauptstadt-Imagekampagne bereitgestellt.

Zu der Kampagne zählt nicht nur das große Logo auf dem Marienplatz. Vor einigen Wochen sorgte der "Fahrrad-Joker" für Aufsehen; eine Art Clown, der, ausgestattet mit Kelle und Narrenkappe, für mehr Rücksichtnahme auf Radwegen werben sollte. Und zur Kampagne gehört die Aktion "München sucht den Radlstar", die derzeit noch läuft.

Vor allem an zahlreichen Bus- und Trambahnwartehäuschen hängen derzeit Plakate mit 20 Münchnern, die sich und ihr Fahrrad ablichten ließen. Im Internet können die Bürger noch bis Samstag unter den Finalisten den Radlstar wählen. Der Sieger erhält 4000 Euro Preisgeld (gesponsert von einem Unternehmen); unter denjenigen, die im Internet abstimmen, werden Taschen oder Radlhelme verlost.

Bei der Rathaus-CSU trifft die Imagekampagne auf wenig Gegenliebe. "Gerade an solch heißen Tagen zeigt sich, dass das Geld für die Kampagne besser in den Ausbau der Infrastruktur angelegt wäre", sagt CSU-Fraktionschef Josef Schmid. Die Menschen, die mit der Radlhauptstadt-Kampagne erreicht werden, würden eh bereits das Rad nutzen, so Schmid - "zumindest dann, wenn der Weg passt, die Infrastruktur passt und im Winter die Radlwege geräumt sind."

Anders sehen das die Grünen: "Im Grunde kann man nie genug Radfahrer haben", sagt Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher. Insbesondere bei Migranten und bildungsferneren Schichten sei der Anteil der Radfahrer noch gering. Genau auf diese Gruppen setze aber die Kampagne, etwa mit dem Radlstar-Casting. "Man muss die Leute auch über den Bauch ansprechen", findet Bickelbacher. Zudem fließe der Großteil der Fahrradpauschale ja ohnehin in den Ausbau der Radwege. "Da ist schon viel geschehen und wird noch mehr geschehen."

Das hofft auch der Radfahrerclub ADFC. Nach seinen Angaben hat die Stadt in den vergangenen Jahren bereits 200 von stadtweit 700 Einbahnstraßen für Radler in beide Richtungen geöffnet. Bis 2015 sollen weitere 150 dazukommen, sagt ADFC-Vorsitzender Christoph Zindel-Kostelecky. Zudem wurde etwa in der Seidlstraße ein neuer Radstreifen angelegt, ebenso in der Blumenstraße. "Was getan werden konnte, ohne dass es groß zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer ging, wurde getan", heißt es im Planungsreferat.

Nun müssen einige größere Konfliktstellen beseitigt werden, wo sich derzeit noch Radler, Fußgänger und Autofahrer in die Quere kommen: etwa in der Kapuziner- sowie in der Rosenheimer Straße. Ein Problem stellt auch die Lindwurmstraße dar; dort ist der Radweg zu schmal und eine Gefahrenquelle für Radler wie Fußgänger - gerade an heißen Tagen. "Da geht's zu wie auf der A99 zur Ferienzeit", sagt ein Radler.

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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