Steuerbescheid nicht zustellbar:Postbote kapituliert vor der Zauntür

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Einem Ehepaar aus München bleibt es erspart, 27.000 Euro Steuern zu zahlen. Grund dafür ist ein Postbote. Er sah keine Möglichkeit, den Steuerbescheid förmlich zuzustellen. Jetzt verlangt die bayerische Finanzbehörde das Geld von der Post.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Über einen laufenden Streit zwischen der bayerischen Finanzbehörde und der Post dürfte sich ein Ehepaar aus dem Großraum München ins Fäustchen lachen: Ihm bleibt es dadurch nämlich erspart, rund 27 000 Euro Steuerschulden bezahlen zu müssen. Und das nur, weil der Briefträger nicht wusste, wie er den Steuerbescheid förmlich zustellen sollte. Deshalb verlangt der Freistaat das Geld nun von der gelben AG als Schadensersatz - mit guten Aussichten, wie am Mittwoch das Landgericht München I festgestellt hat.

Die deutsche Post AG hat sich vertraglich verpflichtet, für die staatliche Finanzverwaltung wichtige Schriftstücke an Steuerbürger zuverlässig und verbindlich zuzustellen. Sollte der Briefträger die Adressaten nicht persönlich erreichen, muss er jeweils eine spezielle schriftliche Mitteilung hinterlassen - mit dieser sogenannten Niederlegung gilt der Behördenbrief formell als zugestellt.

In dem Fall, der nun vor Gericht gelandet ist, war das Finanzamt mit seiner Forderung ziemlich knapp dran: Am 23. Dezember 2011, vielleicht sogar erst am 27. Dezember, hatte das Finanzamt den fraglichen Bescheid über 27 300,74 Euro der Post übergeben. Wenige Tage später, mit Anbruch des neuen Jahres, war diese Forderung bereits verjährt - so wie es dann auch kam.

"Briefkasten nicht zugänglich"

Der Briefträger hatte an der angegebenen Adresse keinen Briefkasten vorgefunden. Da war nur ein Zaun mit einer verschlossenen Metallschiebetüre, daran ein kleines Kunststoffschildchen mit den Öffnungszeiten. Der Postzusteller sah nicht, wie er dort die Zustellurkunde hätte anbringen sollen. So nahm er den Brief wieder mit zurück zum Finanzamt und vermerkte: "Empfänger nicht angetroffen - Briefkasten nicht zugänglich". Dort wurde wegen der Weihnachtsfeiertage der Rückläufer viel zu spät bemerkt und so schaute der Fiskus in die Röhre.

Als der Staat deshalb von der Post den ihm durch die Lappen gegangenen Betrag einforderte, winkte die AG ab: Vielleicht hätte ein Finanzbeamter sich selbst auf den Weg machen und den Steuerbescheid zustellen müssen. Der Postbote dagegen sei unschuldig, weil eine Anheftung der Zustellungsurkunde an dem winzigen Plastikschildchen der Zauntüre nicht möglich gewesen sei.

Vielleicht habe der Adressat sogar darauf spekuliert, meinte sinngemäß die Post nun vor Gericht: Angesichts einer solchen "Zustellungsvereitelung" sei womöglich eine "Zustellungsfiktion" eingetreten und die Steuerforderung deshalb doch noch nicht verjährt.

Die 40. Zivilkammer hat am Mittwoch "dem Grunde nach" dem klagenden Freistaat Recht gegeben. Auf jeden Fall hätte der Postbote die Zustellurkunde wenigstens an der Tür des Gartenzauns anheften müssen. Sinn der normierten Zustellung von Finanzbescheiden sei es nämlich, einen Boykott von Zustellungen weitestgehend unmöglich zu machen. Das geschehe durch das Anbringen von Benachrichtigungen "an die letztmögliche und zugleich hausnächste Einflusssphäre des Empfängers". Im konkreten Fall sei das die Zauntüre.

"An diesem stabilen Kunststoffschild hätte unproblematisch eine schriftliche Mitteilung, beispielsweise mit Klebestreifen, angeheftet werden können, die von vornherein die Entfernung durch unberechtigte Dritte grundsätzlich verhindert hätte", meint das Gericht in seinem Urteil. Diese Möglichkeit hätte sich dem Briefträger "aufdrängen müssen".

Das Gericht hat sich vorläufig nicht näher mit der Frage befasst, ob auch der mit dieser Klage eingeforderte Betrag korrekt ist. Immerhin wurde noch nicht überprüft, ob die Forderung rechtlich zutreffend gewesen ist und ob sie überhaupt hätte eingetrieben werden können. Diese Frage lässt sich nach Auffassung des Gerichts später noch klären. Vielmehr sollten Staat und Post jetzt erst einmal zügig die Gelegenheit bekommen, die Grundsatzfrage der nächsten Gerichtsinstanz vorlegen zu können (Az.: 40 O 17871/12).

© SZ vom 06.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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