Wörthsee:Knochenjob

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Elli Unverdross ist in der Gemeinde für 27 Flüchtlinge zuständig. Was Asylhelfer leisten müssen, weiß sie genau. Ein Protokoll

Von Elli Unverdross, Wörthsee

Ohne die ehrenamtlichen Asylhelfer wären Gemeinden und Landkreis aufgeschmissen. Das Lob von Bürgermeistern und Landrat ist ihnen sicher. Die Arbeit der Helferkreise macht das nicht einfacher. In Wörthsee leben momentan 27 Flüchtlinge in vier Unterkünften. Elli Unverdross koordiniert die Hilfe und engagiert sich seit Jahren selbst. Wie sie die Situation erlebt, hat sie aufgeschrieben:

"Von diesem Donnerstag an ziehen in eine der freigewordenen Wohnungen zwei Familien aus Afghanistan ein. Sie leben derzeit im Zeltlager in Pöcking und werden aufgrund von zwei Risiko-Schwangerschaften - darauf bin ich mittlerweile spezialisiert - nach Wörthsee gebracht. Wenn die Container in Pöcking fertig sind, gehen sie wieder zurück. In der Zwischenzeit haben fünf syrische Flüchtlinge vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) die Nachricht mit subsidiärem Schutz (ein Jahr) erhalten. Das verkompliziert natürlich alles, und wir haben Klage eingereicht. Parallel dazu waren wir beim Jobcenter und haben alle Anträge eingereicht. Eine jeweilige Eingliederungsvereinbarung wurde unterzeichnet, das heißt Pflichten und Rechte des Antragstellers samt weiterer Vorgehensweise. Dies bedeutet erst einmal Integrationskurs, Übersetzung und Anerkennung von Zeugnissen und im zweiten Schritt dann die Möglichkeit einer Ausbildung oder Umschulung basierend auf dem vorgelegten Lebenslauf. Das kostet noch viel Energie und wird sich über Monate hinziehen.

Mit der BAMF-Entscheidung sind sie keine Asylbewerber mehr und haben bereits die Aufforderung zum Verlassen der Unterkunft per Ende November erhalten. Bezahlbarer Wohnraum ist damit gefragt, und das ist im Augenblick im Landkreis Starnberg ein unlösbares Problem.

Am Dienstagvormittag musste ich einen der jungen Männer mit Bauchschmerzen ins Krankenhaus bringen, Verdacht auf Blinddarmentzündung oder Magengeschwür. Man hat ihn stationär aufgenommen zur Beobachtung. Da gab es natürlich auch gleich ein versicherungstechnisches Problem. Bis zum 31. August war er über das Sozialamt im Landratsamt Starnberg krankenversichert. Vom 1. September an dann bei der AOK, die wusste aber noch nichts davon, weil das Jobcenter erst die Unterlagen weitergeleitet hatte. Das sind so die kleinen Probleme in der Übergangsphase.

Für Mitte September haben wir für die anerkannte irakische Familie (derzeit noch geduldet in der Asylunterkunft) eine Wohnung bekommen. Da liegt der Mietvertrag zur Freigabe beim Jobcenter. Dieser muss erst genehmigt werden, sonst wird die Miete nicht bezahlt. Da gibt es klare Vorschriften für den Quadratmeterpreis, Heizung und Nebenkosten. Die Ehefrau ist schwanger und erwartet ihr Baby im Februar 2017, heißt: jeden Monat zur Vorsorgeuntersuchung. Bezüglich der geplanten Container-Siedlung in Wörthsee gibt es keine Information.

Nebenbei kümmere ich mich um Geburtsurkunden, Kinderarztermine, Kinder- oder Krippenplätze, Führerscheinanerkennung und so weiter. Die Situation im Landratsamt, Abteilung Ausländerwesen, ist nach wie vor unzumutbar. Wenn man da um 5 Uhr morgens nicht am Eingang steht - geöffnet wird um 7 Uhr -, kann man gleich wieder gehen. Es kommen nur die ersten zehn Personen in der Warteschlange dran, wenn es um anerkannte Flüchtlinge geht. Ich muss also um 4.30 Uhr in Wörthsee losfahren, wenn ich erfolgreich sein will. Seit zwei Jahren arbeitet man angeblich an einer Verbesserung der Situation."

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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