Weßling:Sehen lernen mit George Todd

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Der 90-jährige Fotograf zeigt seine aufregenden Bilder in Weßling

Von Katharina Schöbi, Weßling

Drei Leben soll er gelebt haben - und die in vollen Zügen. Die Rede ist von George E. Todd, der an diesem Samstag seinen 90. Geburtstag feiert. Am vergangenen Donnerstag durfte man ihm noch nicht gratulieren, obwohl es so viele gerne getan hätten: Im Pfarrstadel am Weßlinger See, in dem Todds neue Ausstellung "One life and two others" eröffnet wurde, musste Platz für weitere Sessel gemacht werden - mit so vielen Gästen hatte das Team von "Unser Dorf" nicht gerechnet.

Die alten, roten Wände aus Backstein und der hölzerne Dachstuhl bildeten eine spannende Kulisse: Genau wie viele Motive in Todds Fotografien brauchen sie die Inszenierung, die sie aus etwas Alltäglichem, oder zumindest Unbeachteten, in etwas Außergewöhnliches verwandelt. Der gebürtige Brite versteht es, Landschaften, Menschen und Gegenstände aus einer Perspektive darzustellen, die den Betrachter erst die Besonderheit erkennen lässt. So entdeckt man die leuchtenden Farbkombinationen rostenden Metalls auf blau gestrichenem Hintergrund oder ist fasziniert von einem Tonkrug vor weißer Wand, auf denen sich ein feines Schattenmuster ausbreitet.

"Fotos, die zeigen, dass es darauf ankommt, zu sehen", hat ein Besucher der letzten Ausstellung in das Gästebuch geschrieben, das auch dieses Mal für Kommentare von Besuchern auflag. Das Buch ist beinahe voll, das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Ausstellungen des Fotografen in Weßling nun schon Tradition haben: Mittlerweile stellt der ehemalige DLR-Wissenschaftler, der seit 1972 mit seiner Frau Patricia in Hochstadt lebt, seine Bilder hier im Fünfjahresrhythmus aus.

Auf seinen Reisen durch die weiten Landschaften im Westen Amerikas, durch Griechenland, Spanien und viele andere Länder fängt Todd auch oft die besonderen Stimmungen ein, die entstehen, wenn sich gerade ein Gewitter am Himmel zusammenbraut. "Approaching storm" nennt er einige dieser Aufnahmen, die die geheimnisvolle "Ruhe vor dem Sturm" zeigen. Eine Stimmung, die man auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf wohl nur selten bewusst wahrnimmt- oder gar genießt.

Das Motorrad, das als Leihgabe den Raum im Erdgeschoss schmückte, bereitete Todd besondere Freude. Denn auch das ist ein Teil seines Lebens: In den Fünfzigerjahren war er selbst erfolgreicher Rennfahrer und Tuner, von 1966 an übernahm er sogar die Verantwortung für Konstruktion und Entwicklung beim weltweit größten Motorrad-Hersteller BSA.

Hans-Eberhard Hess, Herausgeber der Fotozeitschrift "Photo International", bezweifelte in seiner Ansprache, Todd auf nur drei Leben reduzieren zu können - er zähle weit mehr. Diesen Eindruck hat man bisweilen tatsächlich, wenn man mit dem lebenslustigen Mann spricht, als wären da noch viele Seiten an ihm, die man nicht kennt. "Manchmal habe ich mir in der Dunkelkammer Bach-Partiten angehört. Ist eine tolle Inspiration", erzählt Todd von seiner Leidenschaft für klassische Musik. Da ist es nicht verwunderlich, dass Graham Waterhouse, enger Freund und Landsmann von Todd, gebeten wurde, die Vernissage musikalisch mit seinem Cello zu begleiten. Neben Eigenkompositionen erklangen an diesem Abend Cello-Suiten von J.S. Bach.

Auch wenn Todd von Digitalkameras nicht viel hält und bis heute ausschließlich analog arbeitet, hat er vor neuer Technik keine Scheu: Um sich mit jungen Fotografen austauschen zu können und nicht "abgehängt zu werden", ist der 90-Jährige auf Facebook aktiv. Und Hans-Eberhard Hess hatte am Ende seiner Ansprache noch eine Information: "George ist übrigens überhaupt nicht älter geworden. Er sah früher genau so aus."

" One life and two others" im, Pfarrstadel von Weßling, Bis Sonntag, 21. Juni. Mittwoch bis Samstag 15 bis 18 Uhr, Sonntag 12 bis 19 Uhr.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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