Utting:Wo "Kaiser" und "Kardinal" reifen

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Ganz fasziniert machten auch die kleinen Besucher beim Apfelfest auf der Uttinger Selzam-Wiese mit. (Foto: Arlet Ulfers)

Beim Apfelfest in Utting können die Besucher alte Sorten mit wohlklingenden Namen ernten. Der Bund Naturschutz will mit der Aktion auf der Selzamwiese das Bewusstsein für heimisches Obst wecken

Von Ute Pröttel, Utting

Der schlaksige junge Mann steigt lässig auf sein Longboard und fährt über die Eduard-Thöny-Straße davon. In der rechten Hand trägt er einen prall gefüllten Korb mit Äpfeln und Walnüssen. Kurz zuvor kletterte er noch in den alten Apfelbäumen auf der Selzamwiese herum und erntete mit einem Pflücksack reife Äpfel. Seine Ausbeute hat eine unschlagbare Ökobilanz. Kein einziger Transportkilometer schlägt negativ zu Buche.

Der Bund Naturschutz (BN) hat am vergangenen Samstag in Utting zum Apfelfest geladen. Kommen darf jeder und mitnehmen, was er erntet. Zwei Augsburgerinnen sind seit Punkt zwei Uhr da. Auch sie haben kleine Obstpflücker an Teleskopstäben mitgebracht. Im Sommer fahren sie gerne zum Baden an den Ammersee. So haben sie vom Apfelfest gehört. Die Schafe, die sonst auf der Streuobstwiese unterwegs sind und das Gras kurz halten, bleiben heute in ihrem Stall. Trotz des Hochnebels, der sich am Samstag zäh über dem Fünfseenland hält, strömen im Laufe des Nachmittags erstaunlich viele Menschen auf die Selzamwiese. Vor allem Familien mit Kindern kommen. Man kennt sich. Die Damen vom Bund Naturschutz backen frische Apfelkücherl, vier Jungs beschäftigen sich vergnügt mit der Apfelreibe.

Bevor nämlich das Fallobst, das bereits in den Tagen zuvor aufgesammelt worden ist und nun in Kisten und Körben parat steht, zu Apfelsaft gepresst werden kann, müssen die Früchte geraffelt werden. Ludwig Endreß, stellvertretender BN-Vorsitzender in Utting zeigt den Jungs, wie die Saftpresse funktioniert. Erstaunt müssen einige feststellen, dass sie ihre Kräfte maßlos überschätzt haben. Endreß freut sich dennoch, dass sie es versucht haben. "Mit dem Apfelfest wollen wir das Bewusstsein für heimisches Obst wecken", sagt er.

Seit mehr als zwanzig Jahren kümmert sich der Verein um das gemeindliche Grundstück zwischen Bahngleisen und See. Es ist ein Kleinod mitten im Ort. Gut fünfzig Bäume stehen hier. Seit 2012 werden jedes Jahr alte Sorten mit so klingenden Namen wie "Kaiser Wilhelm" oder "Geflammter Kardinal" nachgepflanzt. Der Fachmann spricht von Pomologie. In diesem Jahr hat sich der Bund Naturschutz einer Aktion des Landratsamtes Weilheim angeschlossen, bei der alte Sorten in einer Sammelbestellung günstig bezogen werden können, denn auch bei guter Pflege erreichen Obstbäume mit 80 bis 100 Jahren ihre Altersgrenze. Auf der Selzamwiese dürfen sie übrigens "in Würde alt werden", wie Ludwig Endreß es ausdrückt, und stehen bleiben, bis sie umfallen.

Ute Vogt, 51, schätzt an den Äpfeln von der Selzamwiese vor allem, dass sie unbehandelt sind. Seit 13 Jahren lebt die Familie in Utting und kommt seither jedes Jahr zum Apfelpflücken. Anfangs war es tatsächlich die Saftpresse, die die Kinder anlockte. Mittlerweile sind sie 18 und 22 Jahre alt, klettern gerade in den Bäumen herum und reichen ihrer Mutter die prall gefüllten Pflücksäckchen. Die Früchte sind in diesem Jahr etwas weniger und kleiner, was dem heißen und trockenen Sommer geschuldet ist. Tochter Beatrix ist ausgebildete Ernährungsberaterin und verrät, als sie wieder runter ist vom Baum, dass sie aus den Äpfeln gerne einen Apfelflammkuchen macht. Auf dem dünnen Teig verteilt sie Schmand, geriebene Äpfel, Rosinen, Zimt und Zucker, "vielleicht nehme ich auch noch ein paar von den Walnüssen dazu", überlegt sie, während sie sich bückt und eine weitere Nuss in den Korb wirft.

So wie in Utting ist in vielen Obstgärten momentan Erntezeit. Wer übrigens die Sorten, die im heimischen Garten stehen nicht genau kennt, hat am kommenden Sonntag im Obstlehrgarten Machtlfing die Möglichkeit, seine Äpfel und Birnen von einem renommierten Pomologen bestimmen zu lassen.

Pomologentag, Sonntag, 18. Oktober, 10 bis 15 Uhr, Obstlehrgarten in Machtlfing Am Brunnenweg (bei schlechtem Wetter: Feuerwehrhaus Pählerstraße 5a)

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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