Utting:Große Erwartungen in kleine Seeforellen

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Tausende Fischlein werden in einen Zufluss des Ammersees ausgesetzt, um die Population dort wieder heimisch zu machen

Armin Greune

"Wer weiß, wie groß die Seeforelle werden kann?" Zur Antwort reißen die Befragten die Arme so weit auseinander, wie es Neunjährige gerade noch können. Schließlich haben sie sich im Heimat- und Sachkundeunterricht bei Elisabeth Rainer gut vorbereitet: Bernhard Ernst, promovierter Biologe und Vorstand der Fischereigenossenschaft Ammersee, war am Mittwoch in der 3a der Uttinger Grundschule - ein heimatlich wie sachkundlich denkbar kompetenter Gast. Tags darauf folgt auf die Theorie die Praxis: Die 13 Mädchen und sieben Buben dürfen selbst ein Stück dazu beitragen, dass die Seeforelle vielleicht wieder im Ammersee richtig heimisch wird.

Sie kann 1,40 Meter lang und bis zu 54 Pfund schwer werden, sagt Ulrich Wunner. Die Forellen, die der Bezirksfischereiberater mitgebracht hat, müssen aber noch ein ganzes Stück wachsen: Gerade mal 15 Millimeter lang messen die vor zwei Wochen geschlüpften, durchsichtigen Fischlein. Was ihnen an individueller Masse fehlt, machen sie numerisch wett: Rund zehntausend sollen sich an diesem Vormittag im Mühlbach, ein paar hundert Meter vom Ammersee entfernt, tummeln. Das Prinzip nennt sich "Homing": Ähnlich wie Lachse kehren Seeforellen zur Fortpflanzung an ihren Ursprungsort zurück - und den hat die Natur nicht im tiefen See, sondern in dessen kleinen Zuflüssen vorgesehen, wie Wunner erklärt.

Das ist auch der wesentliche Grund dafür, dass diese selten gewordene Art bislang im Ammersee nicht zu einer sich selbst erhaltenden Population herangewachsen ist - obwohl die Fischereigenossenschaft in den vergangenen zehn Jahren fast 100 000 Euro in den Erhalt der Seeforellen investiert hat. Durch den intensiven Besatz im See gelang es zwar, den Bestand zu stabilisieren, der erwünschte Nachwuchs aber blieb aus. Ursprünglich war die Art in allen großen Voralpenseen vertreten. Als sich nach dem Krieg die Wasserqualität verschlechterte und immer mehr Zuflüsse verbaut wurden, drohte der große Raubfisch zu verschwinden: Nur noch im Königs- und Walchensee überlebten nennenswerte Bestände. Etwa 150 daraus hervorgegangene Laichtiere hält der Bezirksverband in einem Baggersee bei Erding: Mitte November werden sie abgestreift, um Samen und Eier zu gewinnen.

Das Ergebnis halten jetzt die Uttinger Schüler in Wassergläsern in der Hand. Jedes Kind ist Pate für Hunderte Fischlein, die nach und nach in den Mühlbach entlassen werden und sofort ein Versteck suchen. Ein bis drei Jahre bleiben sie in ihrer Kinderstube, bevor sie in den See abwandern: "Im Sommer wollen wir nachschauen, ob sie schon gewachsen sind": sagt Frau Rainer. Die Chancen stehen offenbar nicht schlecht. Seitdem die Wissenschaft das eigenartige Wanderverhalten der Seeforelle erkannt hat, wurde das Homing schon einige Male erfolgreich angewandt, sagt Wunner: Im Genfer See etwa liege die Erfolgsquote bei 90 Prozent.

© SZ vom 10.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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