Utting:Der grüne Joe hört auf

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Josef Lutzenberger war von 2008 bis 2014 der einzige Bürgermeister der Öko-Partei in Oberbayern. Nach zwölf Jahren im Amt will der Uttinger bei der Kommunalwahl 2020 nicht mehr kandidieren.

Von Armin Greune, Utting

Er konnte als erster Vertreter einer grünen Wählergemeinschaft ein Rathaus im Fünfseenland erobern: Josef Lutzenberger siegte in der Stichwahl 2008 gegen CSU-Amtsinhaber Josef Klingl. Zuvor hatte nur der 2010 gestorbene Sepp Daxenberger in Waging als Grüner in Oberbayern ein Bürgermeisteramt bekleidet. Sechs Jahre lang blieb der Uttinger der einzige grüne Rathauschef im Regierungsbezirk, 2014 kam unter anderen Alexander Herrmann in der Nachbargemeinde Schondorf hinzu. Nach der nächsten Kommunalwahl 2020 aber wird Lutzenberger nicht mehr zu diesem exklusiven Kreis zählen: Wie er bekannt gab, verzichtet er auf eine erneute Kandidatur.

Grund sei vor allem sein Alter. Beim Ende der Legislaturperiode 2026 wäre Lutzenberger 69: "Drei Jahre wäre ich noch voll dabei, aber acht Jahre in die Zukunft zu schauen, traue ich mir nicht zu." Der Bürgermeister, der im vergangenen Jahr eine schwere Krankheit überstanden hat, hält es für unaufrichtig, anzutreten und dann im Fall einer Wiederwahl nach der Hälfte der Amtszeit zurückzutreten: "Das ist nicht mein Stil, ich bin immer für offene Karten." Und er wolle auch nicht "wie Mugabe am Stuhl festkleben", fügt Lutzenberger lachend hinzu.

In seinem nur zehn Quadratmeter großen Amtszimmer im Rathaus ist ganz wenig Persönliches versammelt, doch hinter seinem Stuhl wacht ein sehr gelassen dreinblickender, goldener Buddha im Bilderrahmen. Kleine Schachteln mit Lego finden sich zwischen den Aktenstapeln auf dem Schreibtisch. Die halte er bereit, wenn ein Gast beim Besuch von Schulklassen oder Kindergartengruppen besonders gewitzte Fragen stelle, sagt Lutzenberger. Zwei gebastelte Gegengeschenke auf der Fensterbank fallen als weiterer Schmuck im Zimmer auf, als der Bürgermeister für den Reporter Kaffee machen geht. Es käme ihm komisch und peinlich vor, damit eine der Vorzimmerdamen zu beauftragen.

Der gebürtige Uttinger hatte sich früh beim Bund Naturschutz engagiert und war Ende der 1990er aus der Partei der Grünen ausgetreten. Wann, kann er aus dem Stegreif nicht sagen, aber natürlich warum: Weil die rot-grüne Bundesregierung beim "Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform" zwar Ausnahmen für Flugbenzin, aber nicht für den öffentlichen Personennahverkehr vorgesehen hatte. 1996 kandidierte Lutzenberger erstmals als Bürgermeister für die Grüne Alternative Liste (GAL) Utting, eine "lockere Formation ökologisch Interessierter", ohne formelle Mitgliedschaften. Obwohl er bis dato nicht dem Gemeinderat angehörte, erhielt "der Joe", wie ihn die GAL-ler rufen, 27,5 Prozent der Stimmen, unterlag aber seinem damaligen Nachbarn Klingl deutlich. 2002 bewarb sich Peter Noll für die GAL erfolglos als Rathauschef. 2008 schaffte Lutzenberger dann das Unerwartete: Im ersten Wahlgang stimmten 35,4, im zweiten 55,7 Prozent der Uttinger für ihn. Bei der Wiederwahl 2014 gewann er gegen zwei Mitbewerber schon im ersten Wahlgang mit 59,4 Prozent die absolute Mehrheit.

Nach zähem Start sind inzwischen einige größere Vorhaben in Utting realisiert worden. In der wertkonservativen Ammerseegemeinde "braucht's schon einen langen Atem", sagt Lutzenberger. Vieles sei in der ersten Amtsperiode bloß angestoßen worden, was nun umgesetzt werden kann. Von Hort bis zum Hochwasserschutz zählt der Bürgermeister das Erreichte auf: Flächennutzungsplan, Verkehrskonzept und die Erinnerungsarbeit als ehemaliger KZ-Standort. Vier Brücken wurden allein im vormaligen Dyckerhoff-Firmengelände errichtet, der Wanderweg durchs Tal des Lebens naturnah gestaltet, der Telos-Kindergarten als Passivhaus gebaut. Beim Umbau der Schule ist man mit dem denkmalgeschützten Altbau fertig, als nächstes "Millionending" folgt der Südbau. Doch vor allem das künftige Quartier auf dem Schmucker-Areal, wo Utting 80 Wohnungen für Normalverdiener schaffen will, "liegt mir am Herzen", sagt Lutzenberger. Dass er in seiner Amtszeit noch den ersten Spaten in die Erde stechen kann, wagt er nicht zu hoffen. Doch "es wäre schön, wenn wir dieses Vorzeigeprojekt noch entscheidend weiterentwickeln könnten".

Zunächst aber wird die Gemeinde im Haushalt 2018 ein hohes Defizit einkalkulieren müssen. Utting hat eine große Summe an Gewerbesteuer zurückzuzahlen, die ein Unternehmen im Vorjahr gezahlt hat. Doch zur Berechnung der Kreisumlage 2018 werden die hohen Einnahmen von 2016 herangezogen. Zudem soll der Hebesatz der Kreisumlage von 51 auf 54 Prozent steigen: "Wir werden also brennen ohne Ende", fürchtet Lutzenberger.

Utting ist schon ein besonderes Pflaster: Zu Gemeinderatssitzungen sind die Publikumsplätze fast immer voll besetzt, manchmal platzt der Saal im Feuerwehrhaus aus allen Nähten. Die Wahlbeteiligung liegt meist 15 bis 20 Prozentpunkte über dem Landkreisdurchschnitt, drei Bürgerbegehren hatten in den vergangenen zehn Jahren Erfolg. Lutzenberger ist stolz auf "die voll engagierte Bürgerschaft" - auch wenn sie im Rathaus Arbeit verursacht. Im Wahlkampf 2008 lernten er und sein Namensvetter Klingl den dritten Josef kennen, als Daxenberger in Utting in einem überfüllten Saal eine denkwürdige Rede hielt. Es sei beeindruckend gewesen, "einen zu sehen, der bayrische Lebensart verkörpert hat und zupackend argumentieren konnte", sagt Lutzenberger. Aber er hat sich auch gemerkt, dass Daxenberger einen großzügigen Vorrat an potenziellen Gewerbeflächen im Flächennutzungsplan festlegen ließ, um bei Verhandlungen mit einzelnen Grundbesitzern genügend Alternativen zu haben. Doch welches Instrument er seinen eher nicht so umweltfreundlichen Amtsnachfolgern damit in die Hände gab, habe Daxenberger nicht bedacht, findet Lutzenberger.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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