Unterbrunn:Der schönste Arbeitsplatz

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Angelika Göschl ist die Hausherrin des Unterbrunner Pfarrhofs. Sie hat mit dem Gebäude noch viel vor

Von Michael Berzl, Unterbrunn

Es hat wohl so kommen müssen. Von Kindheit an gibt es für Angelika Göschl vielfältige Verbindungen zum alten Pfarrhof in Unterbrunn. Dort hat sie Würstl und Tee bekommen, ehe sie als Ministrantin zum Sternsingen losgezogen ist, dort hat Pater Pius Segeritz gewohnt, der ihre Eltern getraut und sie getauft hat. Ihre Oma war mit der Haushälterin des Pfarrers befreundet, gemeinsam haben sie im Garten Hühner gezüchtet. Nun ist Göschl Hausherrin in dem mehr als hundert Jahre alten Anwesen unterhalb der Laurentius-Kirche. Seit genau einem Jahr läuft der Mietvertrag mit der Gemeinde. Die 50-Jährige empfindet es als "Glücksfall", dass sie den Pfarrhof bekommen hat. "Für mich ist es der schönste Arbeitsplatz der Welt", sagt sie. Die Räume mit den knarzenden Holzdielen und dem Charme vergangener Zeiten werden genutzt für Trauungen, Seminare und Tagungen. Mit zunehmender Beliebtheit.

Sorgsam gestutzte Buchsbüsche flankieren den Weg zu dem Haus mit den grünen Fensterläden, rot blühende Geranien stehen links und rechts von der Eingangstür. Mächtige Walnussbäume und ein Ahorn, Birnen- und Apfelbäume stehen in dem großen Garten. So einladend geht es drinnen weiter. Jugendstilornamente zieren Wände und Treppenabsätze. Alle Räume hat die Gemeinde herrichten lassen, nachdem das Ordinariat das Haus im Jahr 2014 für 600 000 Euro verkauft hatte. Gerade sind Zimmerer aus dem Ort damit beschäftigt, die obere Decke zu Dämmen, damit die Räume im Winter nicht mehr so schnell auskühlen. Und bei fast jedem Handgriff ist der Denkmalschutz zu beachten. Alte Techniken wie die Bierlasur fanden hier Anwendung. Ja, tatsächlich. Mit einer Mischung aus Dunkelbier und Farbpigmenten wurde die Holzvertäfelung im Treppenhaus gestrichen.

Der denkmalgeschützten Unterbrunner Pfarrhof ist stilvoll eingerichtet. (Foto: Nila Thiel)

Auf beiden Etagen stehen schwere alte Holzmöbel. Auch das war so ein Glücksfall. Angelika Göschl konnte Schränke, Tische und eine Biedermeier-Kommode aus dem Nachlass eines Landarztes und einer Apothekerin in Beuerberg südlich von Wolfratshausen kaufen, die zum Teil noch aus der Gründerzeit stammen und nun dekorativ im Treppenhaus des Pfarrhofs aufgestellt sind. Ein Sofa kam aus Germering, ein Lüster aus München, in der Küche wird Silberbesteck verwendet. Die Kirchenmusikerin Ingrid Plomer hat ein Klavier gespendet, das auch schon bei einer Trauung zum Einsatz kam. Die tüchtige Hausherrin mit einem Faible für alte Sachen beweist hier ein gutes Händchen. Stunden hat sie zugebracht, eine Holzdecke mit Spezialöl zu polieren. Selbst vom oft recht kritischen Kreisheimatpfleger Gerhard Schober, der gleich gegenüber im alten Schulhaus wohnt, hat sie wegen ihrer Bemühungen schon Lob bekommen.

Mehr als hundert Jahre alt ist der Pfarrhof, über das genaue Baujahr gibt es unterschiedliche Angaben. Je nach Quelle wird das Jahr 1907 oder 1915 genannt; Pfarrer Resl betreute damals die Gläubigen. Der letzte Pfarrer, der dort wohnte, war Albert Miorin; danach waren nur noch Räume im Obergeschoss vermietet, schließlich stand das Haus sieben Jahre leer, und der Holzwurm nistete sich im Treppengeländer ein. Bis die Gemeinde sich zum Kauf entschloss und im Juli vergangenen Jahres die Einweihung feierte. Seither hat sich einiges getan.

Hausherrindes Unterbrunner Pfarrhofs: Angelika Göschl. (Foto: Nila Thiel)

In ihrem Leben vor der Zeit im Pfarrhof hat Angelika Göschl viele Jahre in der Personalabteilung von Webasto in Stockdorf gearbeitet, hat Schulungen, Tagungen und Fortbildungen für das Unternehmen organisiert. Die gelernte Bankkauffrau und Mutter von zwei Söhnen hat sich um die Betreuung der Kinder von Mitarbeitern gekümmert und sich dafür eingesetzt, dass die Themen Gesundheit und Fitness einen größeren Stellenwert erhalten. Gleichzeitig macht sie beim Unterbrunner Bauerntheater mit. All das ergibt eine ideale Mischung.

Als Personalerin bei Webasto hatte die 50-Jährige bestimmt besser verdient, aber das hier ist eine Herzensangelegenheit. Das Geschäft mit den Tagungen und Seminaren scheint jetzt erst richtig loszugehen. Die besondere Atmosphäre in dem mehr als hundert Jahre alten Haus, die aufmerksame Betreuung, das spricht sich herum. Einige Firmen, die hier waren, sind wieder gekommen. Es gibt Buchungen bis in den August nächsten Jahres. "Das geht jetzt richtig los", freut sich Göschl. Die Nachfragen kommen aus der Umgebung, aber auch von großen Unternehmen aus München. Demnächst will die gelernte Bankkauffrau, die außerdem ist von der Industrie- und Handelskammer (IHK) geprüfte Ausbilderin und Lerncoach ist, in eigener Regie eine Akademie aufbauen und dabei als Organisatorin und Dozentin Seminare anbieten.

Das Mobiliar stammt teilweise von einem Landarzt. (Foto: Nila Thiel)

Auch bei Hochzeitspaaren ist der alte Pfarrhof beliebt. Im vergangenen Jahr waren es 18 Trauungen, heuer werden es wohl 30, und die ersten Anfragen für das nächste Jahr liegen schon vor. Das Ambiente in dem holzgetäfelten Trauungszimmer ist dann doch etwas schöner als im Gautinger Rathaus. In dem gut 2000 Quadratmeter großen Garten können die Gäste bei Häppchen und einem Glas Sekt bewirtet werden. Die nächste Trauung ist am Wochenende.

Als "eine ganz besondere Begegnungsstätte mit Charme" bezeichnet die Gemeinde in einer Mitteilung den Pfarrhof. Tatsächlich steht das Haus der Öffentlichkeit zur Verfügung, das ist Göschl ganz wichtig. So kommen zum Beispiel einmal im Monat die Unterbrunner Kinder zum Basteln, und auch das Seniorencafé findet dort regelmäßig statt. Einen Ostermarkt und einen Damen-Nachtflohmarkt hat es schon gegeben. Die Theatergruppe probt dort, und die Pfarrei nutzt Räume, zum Beispiel, um dort Fahnen aufzubewahren.

Und künftig könnte es noch mehr schöne Gelegenheiten geben, sich dort zu treffen. In einer Ecke des Grundstücks soll ein Backhaus errichtet werden aus den Backsteinen einer alten Güterhalle, die jetzt noch beim Gautinger Bahnhof steht. Beim Abreißen und beim Aufbauen werden die Unterbrunner wohl wieder gemeinsam anpacken, wie das in dem Dorf üblich ist, und sich später beim gemeinsamen Brotbacken treffen.

Die nächsten öffentlichen Veranstaltungen im alten Pfarrhof stehen schon im Terminkalender. Am Sonntag, 18. September, ist dort eine Veranstaltung im Rahmen des Literarischen Herbsts geplant. Am Totensonntag im November basteln Unterbrunner Frauen Adventskränze und Gestecke, und am Freitag, 9. Dezember, liest Walter Moser die Weihnachtsgeschichte von Ludwig Thoma. Ein Besuch lohnt sich allein schon deshalb, um die liebevoll eingerichteten Räume zu bewundern.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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