Günther Schöll:Der Durchblicker

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Herr der Röhrchen: Günther Schöll aus Gauting baut und verkauft bunte Kaleidoskope. In seiner Werkstatt lagern Hunderte. (Foto: Franz X. Fuchs)

Günther Schöll aus Gauting handelt mit Kaleidoskopen. So eröffnet er nicht nur seinen Kunden neue Perspektiven. Das Leben erscheint dem 66-Jährigen wie eine Wundertüte, in die man nur hineingreifen muss.

Von Michael Berzl, Unterbrunn

Drei Spiegel in einer Röhre, davor bunte Kunststoffsplitter oder einfach eine Glaskugel: So einfach ist die Konstruktion, und schon eröffnen sich neue Perspektiven. "Oh, ist das schön, das gibt's ja gar nicht", schwärmt Günther Schöll, dreht das Kaleidoskop vor seinem linken Auge etwas und lacht schon wieder. Seit 20 Jahren handelt der Gautinger mit diesen optischen Spielereien - und er hat immer noch ein kindliches Vergnügen daran. Vor allem am Teleidoskop, der Variante mit der Glaskugel am vorderen Ende.

Es verwandelt jedes Motiv in ein Wimmelbild ohne Grenzen, eine einfach Tastatur wird zum unendlichen Buchstabensalat mit Dreiecksstrukturen, eine Rose zu einem Blütenmeer. Völlig banale Dinge wirken auf einmal wie ein farbenprächtiges Kirchenfenster einer Kathedrale. Überall sind Farbexplosionen zu entdecken. Das passt zu dem 66-jährigen Gautinger, der sich selbst als neugierig und wach charakterisiert.

Ein Blick durch ein Kaleidoskop eröffnet neue Perspektiven. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seine Entdeckungsreise in der farbigen Welt der Kaleidoskope begann in einem Laden in New York, wo ein besonders aufwendiges Modell aus Glas ausgestellt war. Schöll war sofort begeistert. Nun versorgt er von seinem Lager in Unterbrunn aus Museumsshops in ganz Deutschland mit den Mitbringseln, die er in Taiwan nach seinen Vorstellungen produzieren lässt. Das BMW-Museum in München zum Beispiel zählt zu seinen Kunden oder der Nationalpark Bayerischer Wald. Auch bei der Tutanchamun-Ausstellung, die seit Karfreitag in der kleinen Olympiahalle zu sehen ist, gibt es die Pappröhren, die mit passenden Ägypten-Motiven bedruckt sind. Er verkauft sie auch selbst auf diversen Märkten wie dem Tollwood in München oder den Tölzer Rosentagen.

In einem Kellerraum in Unterbrunn gibt es Hunderte Kaleidoskope. Durch eine schlichte Holztüre geht es durch einen niedrigen Eingang hinein in einen kühlen Kellerraum mit einer Holzdecke. Dort probiert der Händler auch neue Varianten aus. Ein durchsichtiges Eimerchen mit tausenderlei buntem Plastikkrimskrams steht dort, mit dem man das vordere Ende eines Kaleidoskops befüllen kann. Zwei Röhren aus Keramik liegen auf dem Holztisch. Auch daraus sollen einmal Kaleidoskope werden. Eigentlich ist diese Variante in der Herstellung viel zu aufwendig, um damit einen kommerziellen Erfolg zu landen, aber das macht ja nichts.

Schwarze Lederjacke, schwarze Schirmmütze, grauer Schnauzer, lustige Lächelfalten und hellblaue Augen, die neugierig in die Welt blicken. Auf einmal summt er vor sich hin, singt: "Mit 66 Jahren . . ." Ein Lebenskünstler - oder Traumtänzer, je nachdem. "Das mit der Schule hat nicht so richtig geklappt. Ich hab' mich halt immer leicht ablenken lassen", erzählt er mit seinem verschmitzten Charme. Immer etwas Neues zu entdecken, immer wieder etwas ausprobieren, das prägt seine Vita. Kaum zu glauben, was in so ein Leben alles reinpasst: Als junger Mann zieht Schöll mehrfach zwischen Karlsruhe und Kalifornien um, lebt mal bei der Mutter, mal bei der Großmutter, während des Vietnam-Kriegs ist er als Soldat in Korea, er druckt Texte des LSD-Poeten Timothy Leary.

Es folgen Jobs in einem Sägewerk in Roding, als Pizzabäcker, in einer Druckerei, der Aufbau eines Biohandels und einer Uhrenfirma, Läden in München, auch in der Schrannenhalle. "Ich bin halt oft wieder aus einem Geschäft ausgestiegen, weil ich etwas Neues ausprobieren wollte", sagt er. Auch als Sänger und Musiker mit einer Mountain Dulcimer, einer amerikanischen Zither, mit der er im Gautinger Bosco aufgetreten ist, oder als Schauspieler mit einer kleinen Rolle bei den Rosenheim-Cops. Man könnte stundenlang zuhören, immer noch eine Episode, immer noch etwas Neues, als wäre das Leben eine große Wundertüte, in die man nur hineingreifen muss.

Schöll muss aber schon auch einen gesunden Geschäftssinn haben und wohl öfter auch die nötige Portion Glück. Zum Beispiel bei der totalen Sonnenfinsternis im Jahr 1999, die ihm einen ordentlichen Reibach bescherte. Innerhalb kurzer Zeit hat er Zehntausende Sofi-Brillen verkauft, unter anderem an große Münchner Kaufhäuser. Der Gautinger Geschäftsmann war auch da zur richtigen Zeit am richtigen Ort, hat zufällig mitbekommen, dass da ein gutes Geschäft zu machen ist und hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. "Da geht es dann ein paar Jahre ein bisschen leichter", scherzt er. Jetzt im März dagegen, bei der teilweisen Sonnenfinsternis, hat er das große Geschäft verpasst. Da hat der Run auf die Brillen erst in den letzten Tagen vor dem Himmelsschauspiel richtige Dynamik gewonnen, vor allem nach einer Anweisung an die Schulen, dass die Kinder nur mit Schutz für die Augen in die Pausenhöfe dürfen. Diesmal war der Gautinger nur mit ein paar hundert Stück dabei.

Aber das mit den Sofi-Brillen war ohnehin nur eine Gelegenheitsgeschichte. Jetzt geht es erst mal weiter mit den Kaleidoskopen. Der Schotte Sir David Brewster gilt als der Erfinder; jedenfalls hat er 1817 das Patent dafür angemeldet. Doch eigentlich, da ist Schöll überzeugt, haben es Bayern entwickelt. Das schildert jedenfalls der deutsche Physiker und Chemiker Julius Konrad von Yelin in einem Buch mit dem Titel "Das Kaleidoskop - eine bayerische Erfindung", in dem auch die beiden Handwerker in Augsburg und Nürnberg erwähnt sind. Schöll hat es bei Recherchen in der Bibliothek des Deutschen Museums gefunden. Einen Nachdruck dieses Buches will er nun herausgeben.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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