Tutzing:Wunderbar geborgen

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Udo Hahn interpretiert Verse von Dietrich Bonhoeffer

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Es ist das letzte erhaltene Dokument von Dietrich Bonhoeffer, dem wohl bedeutendsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Und es ist zugleich sein bekanntestes und populärstes: Das Lied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" - sein geistliches Vermächtnis. Der Schluss seines Briefes an seine Verlobte Maria von Wedemeyer vom 19. Dezember 1944 ist ein Gebet, das schon vielen Menschen Trost spendete. Bei Konfirmanden sind die Zeilen bis heute als Leitspruch ebenso beliebt wie bei Brautleuten.

Udo Hahn, Pfarrer, Publizist religiöser Sachbücher und spiritueller Texte und seit 2011 Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, hat die Verse unter dem Titel "Dietrich Bonhoeffer - Von guten Mächten wunderbar geborgen" in einem schmalen Büchlein interpretiert. Was ihn an dem Theologen fasziniert? Im Vorwort schreibt Hahn: "Bonhoeffer wurde nur 39 Jahre alt. Siebzehn Bände umfasst sein Gesamtwerk. Wer sich mit ihm befasst, begegnet einem Wissenschaftler, Prediger, Seelsorger, Dichter - einem Menschen, einem Zeitzeugen und Zeitgenossen, der beglückende Höhenflüge erlebt und schrecklichste Situationen der Verzweiflung bis zum Tod am Galgen erlitt." Er habe das Leben geliebt und in den Krisen seiner Zeit nach Gott gefragt, nach der Botschaft der Bibel für den Einzelnen sowie für die Gesellschaft. Die Beschäftigung mit Bonhoeffer lohne sich, "weil er uns in seinen Ängsten und Hoffnungen nahe kommt".

Dietrich Bonhoeffer. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Bonhoeffer war im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv. 1938 schloss er sich dem Kreis um Wilhelm Franz Canaris an. Im Januar 1943 verlobte sich der 37-jährige Bonhoeffer mit der erst 18 Jahre alten Maria von Wedemeyer. Am 5. April 1943 wurde der Theologe verhaftet und im Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Berlin-Tegel gefangen gehalten. Die Gestapo überstellte ihn am 8. Oktober 1944 in den Keller ihrer damaligen Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße 8. Dort hielt man Bonhoeffer, Canaris und andere als persönliche Gefangene Hitlers fest. Kurz vor Weihnachten 1944, am 19. Dezember, fügte Bonhoeffer in einem Brief an seine Verlobte "ein paar Verse, die mir in den letzten Abenden einfielen" als "Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister" an.

Das persönlich-biografisch gefärbte Gedicht war sein erstes und auch sein letztes. Es spiegelte die eigene Situation wieder und die seiner Familie. Sein Bruder Klaus sowie die Schwager Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher waren inhaftiert, Bruder Walter war gefallen, seine Zwillingsschwester Sabine war mit ihrem jüdischen Mann Gerhard Leibholz ins Ausland gegangen. Am 5. April 1945 befahl Hitler in einer der letzten Besprechungen im Bunker der Reichskanzlei, dass keiner der Verschwörer des 20. Juli 1944 überleben sollte. Im Morgengrauen des 9. April 1945 wurde Bonhoeffer im KZ Flossenbürg zum Tod durch den Strang geführt. Ein Zeitzeuge, der damalige Lagerarzt, beschrieb 1955, mit welcher Größe Bonhoeffer aus der Welt schied. Er habe ruhig und gesammelt gewirkt, sich von allen Mithäftlingen verabschiedet, an der Richtstätte ein kurzes Gebet gesprochen, sei gefasst zum Galgen gegangen und in wenigen Sekunden gestorben.

Was Dietrich Bonhoeffer 1944 schrieb, fasziniert nicht nur Akademiedirektor Udo Hahn bis heute. (Foto: Georgine Treybal)

Udo Hahn : Dietrich Bonhoeffer - Von guten Mächten wunderbar geborgen. Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer 2016. 48 Seiten, 9,95 Euro.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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