Tutzing:Weltall-Fantasien

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Marek Štrbák zeigt alle Facetten der Tutzinger Sandtner-Orgel auf

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Resonanz beim Tutzinger Orgelherbst diesmal eher bescheiden ausgefallen. Doch das lag keinesfalls an der Qualität der Beiträge - Gerade der Gastauftritt des slowakischen Orgelvirtuosen und -dozenten Marek Štrbák zum Abschluss der Konzertreihe erwies sich geradezu als eine Lobeshymne auf dieses vom Publikum zu Unrecht stiefmütterlich behandelte Instrument. Die Vielseitigkeit der Sandtner-Orgel von 1984 liegt an der breit angelegten Disposition mit 44 klingenden Registern: Während drei Werke der klassisch-barocken Klangästhetik folgen, wird das Schwellwerk dem französisch-romantischen Ideal gerecht.

Diese so unterschiedlichen Klangwelten mixte Štrbák mit einem Hauch Exotik und Groteske. Mittels einer befremdenden Registrierung gelang es dem Slowaken von Beginn an alle Hörgewohnheiten aus den Angeln zu heben. Zum Prélude der Suite op. 51 von Louis Vierne von 1926 wählte er eine Registrierung, die an die Filmmusiken der ersten Weltraum-Fantasien mit tief brummelndem Thema und aufdringlichen Echolot-Klang erinnerte. Štrbáks Programm war überaus schlüssig konzipiert: Die französische Linie von Vierne, über Marcel Dupré bis hin zu Maurice Duruflé zeigte sich vielfältig mit extreme Kontrasten - etwa zwischen scharf geschnittenen Fanfarenklängen mit vorwärtsdrängendem Groove und zarten, versponnenen Rücknahmen. Dies galt auch für die emotionalen Ausprägungen, wie etwa in der Toccata der Suite op. 5 von Duruflé, die schrille Virtuosität mit nervöser Narration kontrastierte und so eine gewaltige Spannung aufbaute, von der erst der strahlende Schlussakkord erlöste.

Die slowakische Schule, an deren Ende sich Štrbák als Interpret selbst stellt, kam mit seinem Zugriff bestens zurecht. Vor allem, weil die nicht gerade auf Transparenz angelegten Stücke von Ján Levoslav Bella und dem noch lebenden Jozef Podprocký dadurch an Tektonik gewannen. Bellas Phantasie-Sonate d-Moll mit ihrer rhapsodischen Entwicklung profitierte zudem vom Farbreichtum, der sich in der spätromantischen Harmonik zum Schluss hin potenzierte. Podprockýs "Laudatórium" op. 58 erwies sich in der Ruhelosigkeit als Parallele zu Duprés Stück, wobei sich der Slowake mit mysteriöser Verworrenheit und schwirrenden Passagen stilistisch doch individuell absetzt. Lang anhaltender Applaus und eine virtuose Zugabe.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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