Tutzing:Politisch ohne Zuhause

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Die Politiker-Runde in der ersten Reihe hört aufmerksam zu, als die Seminar-Teilnehmer ihre Beiträge vortragen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein Workshop zeigt: Junge Menschen fühlen sich von Parteien nicht angesprochen

Von Marcella Rau, Tutzing

Die Jugendlichen haben ein klares Anliegen: "Wir sind hier. Hört uns zu", lautet ihr Appell an die Politik. Von Politikverdrossenheit jedenfalls ist zumindest bei den Teilnehmern der Workshop-Tagung "Jung - und politisch?", die die Evangelische Akademie in Kooperation mit dem Bayerischen Jugendring und dem Münchner Institut für Medienpädagogik (JFF) am vergangenen Wochenende in Tutzing veranstaltet hat, nichts zu spüren.

Politikverdrossenheit sei sowieso der falsche Ausdruck, stellt Regina Renner, Referentin für Jugendpolitik beim Bayerischen Jugendring klar. Eher noch ließe sich der Jugend so etwas wie Politiker- oder Parteienverdrossenheit attestieren. Denn in den klassischen politischen Organisationen fühlten sich viele junge Leute heute nicht mehr zuhause. Auch unter den 30 Tagungsteilnehmern, die naturgemäß politisch interessiert waren, sind nur zwei Parteimitglieder. Unpolitisch seien sie deshalb noch lange nicht, so Renner. Viele von ihnen engagieren sich ehrenamtlich und seien sich meist gar nicht bewusst, dass auch das in gewisser Weise Politik ist. Die Erfahrung, dass dieses soziale Engagement für die Jugendlichen ein erster Schritt hin zum politischen Aktivismus sein kann, hat auch Burkhard Hose, Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde Würzburg gemacht. In einem Vortrag berichtet er davon, wie viele seiner Studierenden gerade durch die Arbeit mit Flüchtlingen und das Erstarken rechter Bewegungen dazu motiviert wurden, an Demos teilzunehmen, oder sich in anderer Weise politisch einzubringen.

Dennoch gibt es Gründe, die viele junge Menschen davor zurückschrecken lassen, sich politisch zu engagieren. Einige Seminarteilnehmer äußerten etwa, sich angesichts komplexer und unüberschaubarer globaler Probleme ohnmächtig zu fühlen. Andere argumentierten, dass es ihnen letztlich doch so gut ginge, dass sie gar keinen Anlass zum Protest sähen.

Dass es ihnen dennoch nicht an Anregungen und Anliegen mangelte,die sie an die Politik richten wollten, bewiesen die Jugendlichen am letzten Seminartag. In verschiedenen Workshops hatten sie zuvor Audio-, Video- und Poetry-Slam-Beiträge erstellt, die sie im Beisein der jugendpolitischen Sprecher, Eva Gottstein (FW), Gerhard Hopp (CSU) und Herbert Woerlein (SPD) sowie der bayerischen Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze präsentierten. Anschließend stellten sich die Politiker den Fragen der Jugendlichen.

Schnell wird klar, dass politische Mitbestimmung eines der großen Anliegen der vielfach noch minderjährigen Teilnehmer ist. Jonas etwa, der erst kurz nach der Bundestagswahl die Volljährigkeit erreichen wird und somit erst vier Jahre später erstmals seine Stimme bei einer Bundestagswahl abgeben kann, befürchtet, dass Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr oft kaum mit der Politik in Berührung kämen - und dann keine Ahnung hätten, wen sie nun wählen sollten. Ansetzen müsse man deshalb vor allem bei der Schulbildung, da sind sich die Politiker und die Jugendlichen weitestgehend einig. Sozialkunde komme im Lehrplan viel zu kurz. Außerdem müsse statt der Vermittlung trockener Fakten die Eigenverantwortung der Schüler mehr in den Vordergrund gerückt werden.

Auch eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 würden Grüne und SPD begrüßen. Es reiche jedoch nicht, Forderungen an die Politik zu stellen, gab Schulze zu bedenken. Auch die Jugendlichen selbst müssten sich mehr einbringen. Solange diese nicht in den Parteien vertreten sind, hätten sie auch keine Möglichkeit, Einfluss auf diese zu nehmen. Ähnlich sah das auch Eva Gottstein (FW). Sie selbst habe in der Vergangenheit oft die Erfahrung gemacht, dass es schwierig sei, genug junge Menschen zu finden, die bereit sind, sich in politischen Gremien zu engagieren.

© SZ vom 12.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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