Tutzing:Ohne Blaulicht

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Große Minimalisten: Christoph Müller, Manfred Mildenberger und Andreas Otto Schellinger (von links) bei der Arbeit. (Foto: Georgine Treybal)

Die "Jazz Police" auf dem Museumsschiff

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Puristen des Jazz als Jazzpolizei zu bezeichnen, ist offenbar weltweit Usus. Es verwundert also nicht, dass sich immer wieder Ensembles so benennen, Leonard Cohen widmete "Jazz Police" sogar einen ironischen Song. Die Münchner Band Jazz Police trägt diesen Namens zweifelsohne nicht als Gag, auch wenn das Trio Humor hat und sich auch zur Unterhaltung bei diversen Feierlichkeiten verdingt. Was auf dem Museumsschiff Tutzing im fast ausverkauften Konzert des Seejazz-Festivals zu hören war, hätte karger und reiner wohl kaum sein können. Doch gerade darin liegt - nicht nur im Jazz - die allergrößte Schwierigkeit und andererseits auch ein ungeheurer Reiz.

Inhaltlich stand im Grunde Sänger und Bassist Andreas Otto Schellinger im Focus. Im Sinne des Minimalismus hätte er auch sich selbst genügen können. Seine solide Tektonik am Kontrabass und am E-Bass und seine gewandte Stimmkunst führten im Grunde eine imaginierte mehrköpfige Band mit, ohne dass sie zu hören sein musste. Ein Phänomen, das sich die Miniformation zunutze macht, um mit den geringsten Mitteln große Musik zu spielen.

Schellinger hat bei diesem Kniff den Vorteil, dass er als Multiinstrumentalist (neben Bass auch Gitarre, Klavier und Orgel) aus dem Erfahrungsfundus einer ganzen Band schöpfen kann. Und er tut es mit spielfreudiger Raffinesse, die man auch den beiden Mitspielern ohne Einschränkungen attestieren kann.

Für Andreas Dombert sprang wegen Terminüberschneidung der Berliner Gitarrist Christoph Müller ein - und packte gerade in der Disziplin des Minimalistischen r eine gut gefüllte Trickkiste aus. Von Bottleneck-Effekten an der E-Gitarre im Stil einer Pedal- Steel-Guitar über Rhythmusgitarre bis hin zu akustischen Leadgitarren-Einsätzen kreierte er eine enorme Bandbreite an Spielarten, Klangnuancen und anschlagstechnischen Besonderheiten.

Vom Eindruck her also ein üppiges Material. Aber im Grunde ging es um minimale Differenzierungen, bisweilen nur Klangspuren, mehr Andeutungen und Markierungen als ausgekostete Wirkungen. Derart zurückgenommen in Klang und Volumen eröffnete sich Manfred Mildenberger die Möglichkeit, am Schlagzeug Schönklang hörbar zu machen. Das Spektrum der Töne, die an jedem Schlaginstrument mitschwingen, ist nämlich weit größer, als man im Normalfall wahrzunehmen vermag. Hier profitierte die Klangentwicklung nicht nur von der Rücknahme, sondern auch vom jeweils begrenzten instrumentalen Einsatz im Sinne des Purismus. Klarer und transparenter kann Musik wohl kaum sein.

Ganz gleich, welchen musikalischen Stil sich das Trio vornahm: Die Reduktion führte stets zu einer Bereicherung und forderte geradezu zum aktiven Hören heraus. So entgingen dem Publikum auch die spitzfindigen Details im Sinne von geistvollen Pointen nicht. Und das Repertoire der Band sparte kaum was aus. Ob Schlager und Evergreens wie "Criminal Tango", "Bei mir bistu Shein" oder "Buona sera Signorina", Blues-Standards wie "Tutti frutti" oder "Blue suede shoes", Klassiker wie "Hit the road Jack!", "Summertime" oder "Take a walk on the wild side", dazu noch unverwüstliche Tophits wie "Jeans on" oder "English man in New York": Jazz Police traf mit nur wenigen Tönen die adäquate Charakteristik in eigener Auslegung, mal mit etwas Funk, mal mit einer Prise Reggae.

Das Überraschende dabei: Bei der Reduktion auf die Grundsubstanz passten plötzlich viele Songs auf gewisse rhythmische und harmonische Gerüste gleichermaßen. So ging es also nahtlos von Song zu Song, gänzlich dem spontanen Einfall der Musiker überlassen, wohin sich der Abend auch entwickeln sollte.

Ein spannendes Abenteuer mit dem das Publikum seinen Spaß hatte. Zwei Zugaben.

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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