Tutzing:Mitten im Spannungsfeld

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Namhafte Besucher zieht es von je her in die Evangelischen Akademie Tutzing - nicht nur wegen der traumhaften Lage am Seeufer, sondern auch wegen des interessanten Tagungsangebots. Seit fünf Jahren ist Udo Hahn nun Gastgeber des Hauses und er zieht eine Zwischenbilanz

Interview von Manuela Warkocz, Tutzing

Vor fünf Jahren übernahm Udo Hahn das Zepter im Tutzinger Schloss - er wurde am 1. Juni 2011 Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing. Als Leiter der renommierten kirchlichen Bildungseinrichtung direkt am Starnberger See musste er sich erst einmal einen Namen machen. Schließlich brachte man den Posten 20 Jahre lang mit Friedemann Greiner in Verbindung. Inzwischen hat Hahn innerhalb der Akademie und in deren Außenwirkung einiges bewegt. Als Gastgeber hochrangiger, auch internatonaler Politiker und namhafter Persönlichkeiten, die das Schloss als Begegnungsstätte schätzen, tritt der 54-Jährige freundlich und selbstbewusst auf. Dabei zeigt der als konservativ geltende Theologe, Pfarrer und Journalist durchaus extravagante Seiten. Etwa in der Wahl seiner Krawatten. 60 teils wirklich schrille Exemplare besitzt er. Alle selbst ausgesucht, wie er beteuert. Aber nicht nur um den Hals darf's immer wieder was Neues sein.

SZ: Sie hatten einen Schnurrbart, als Sie in Tutzing einzogen. Der war irgendwann weg. Wette verloren?

Udo Hahn: Nein. Ich dachte, eine Veränderung ist mal ganz sinnvoll und hab mir den 12. 12. 2012 als Termin gesetzt. Ich kannte mich seit meinem 18. Lebensjahr nur mit Schnauzer. Dann war ich überrascht beim Blick in den Spiegel - es geht auch ohne.

Was haben Sie in der Akademie verändert, seitdem Sie da sind? Bei Ihrem Start sprachen Sie von, einem "Fenster zur Gesellschaft", das Sie öffnen möchten.

Die Evangelische Akademie muss sich von Zeit zu Zeit neu erfinden. Das heißt nicht, dass wir alles komplett ändern müssen. Mit 100 Veranstaltungen im Jahr sind wir einer der Vollversorger unter den evangelischen Akademien. Wir wollen vielen Menschen ein breites Angebot machen. Durch die Digitalisierung hat sich in den letzten Jahren enorm viel verändert. Was die Gesellschaft bewegt, müssen wir aufgreifen. Wir hatten etwa letztes Jahr eine Tagung zu 3-D-Druck. Als Journalist sind mir Medien ein wichtiges Thema, den Bereich habe ich neu profiliert. Neben dem Wochenend-Tagungsformat haben wir mehr Abendforen etabliert, nicht nur in Tutzing, sondern auch in München.

Wie sieht die wirtschaftliche Lage aus? Bislang hat von jährlich 3,5 Millionen Euro die Landeskirche 40 Prozent beigesteuert, die Akademie 60 Prozent.

Das ist unverändert. Die Landeskirche ist verlässlich, muss aber in allen Bereichen sparen, um die Altersversorgung der Mitarbeiter gewährleisten zu können. Wir sind immer gehalten, unsere Einnahmen zu steigern.

Wie entwickeln sich die Besucherzahlen?

Wir hatten letztes Jahr einen leichten Zuwachs, stehen insgesamt stabil da. Wir sprechen immer von etwa 8000 Gästen, die zu unseren eigenen Tagungen kommen. Weitere 6000 sind es bei Gasttagungen, wenn Firmen, Stiftungen, Universitäten diesen Ort mieten. Zu den "Ferien im Schloss" kommen in sechs Sommerwochen rund 600 Gäste.

Sie haben oft Prominente im Haus - demnächst wieder zur Sommertagung des Politischen Clubs mit Horst Seehofer, Josef Ackermann, Jean Asselborn. Erwarten diese Gäste individuelle Behandlung und speziellen Schutz?

Wir begegnen allen Gästen mit Wertschätzung. Manche Gäste haben heute eine höhere Sicherheitsstufe als noch vor zwei, drei Jahren. Ich nehme aber sehr positiv wahr, dass diejenigen mit Personenschutz daraus keinen Status ableiten.

Viele scheinen ja auch die ungezwungene Atmosphäre und das schöne Haus am See zu genießen.

Die Entscheider aus Politik und Gesellschaft treffen hier auf Menschen, denen sie sonst so vielleicht nicht begegnen. Wir haben ein qualifiziertes Publikum, das mit den Experten auf Augenhöhe diskutiert. Sie werden an so einem Ort auch heruntergebremst. Das schätzen viele Menschen.

Einer Ihrer Wünsche war, ein jüngeres Publikum anzuziehen. Gelingt das?

Es gelingt, wenn wir auf junge Menschen zugeschnittene Formate entwickeln. Die Schülerakademie etwa, die Abiturtagung. Auch der akademische Nachwuchs kommt. Bei den 30- bis 50-Jährigen klafft meist - wie bei anderen auch - eine große Lücke. Das Gros unseres Publikums liegt bei 50 Plus.

Jünger, moderner aufzutreten - das bezieht sich auch auf das neue Online-Erscheinungsbild der Akademie, oder?

Ja, das stimmt. Blog, Online-Newsletter, eine übersichtliche, informative Homepage, Social Media sind heute einfach selbstverständliche Instrumente. Es gibt heute viele Menschen, die sich für unsere Arbeit interessieren, aber keine Zeit haben, an einer Tagung teilzunehmen, die Ergebnisse aber mitbekommen möchten und dann vielleicht doch mal kommen.

Viele Formate haben Sie fortgeführt wie den Politischen Club, den Tutzinger Salon, die Kanzelreden, den großen Jahresempfang. Daran wird nicht gerüttelt?

Nein. Meine Devise ist - das Gute bewahren und weiterentwickeln, Neues initiieren. Die Evangelische Akademie ist eine Marke, die bundesweit Strahlkraft entwickelt.

Wo sehen Sie denn inhaltlich die Aufgabe der Akademie in dieser Zeit der Umbrüche und gesellschaftlichen Spannungen?

Wir öffnen einen Raum für Begegnungen und Dikurs. In der Zivilgesellschaft wirken unterschiedliche Kräfte - Parteien, Gewerkschaften, Unternehmer, Initiativen Einzelpersonen- mal miteinander, mal gegeneinander. Wer Lösungen finden will, muss diese Kräfte an einen Tisch bringen.

Aber sind Menschen heute nicht schon im unaufhörlichen Informations- und Kommunikationsfluss?

Mein Eindruck ist, dass nicht zu viel, sondern zu wenig diskutiert wird. Meist werden nur Statements ausgetauscht, aber nicht wirklich debattiert. In der Akademie erleben Menschen, dass es sich lohnt, vielleicht auch mal ein Wochenende um ein Thema herumzukreisen.

Man kommt natürlich auch hierher, weil die Lage am See traumhaft und das Haus stilvoll und gepflegt ist.

Das macht sicher 50 Prozent unseres Tagungserfolgs aus. Die Lage ist ein Privileg.

Sie selbst wohnen mit Ihrer Frau in Tutzing, gehen zu Veranstaltungen wie der Lichterkette, predigen in der Christuskirche. Man hat den Eindruck, Sie wollen die Akademie im Herzen Tutzings durch Ihre Präsenz auch mehr ins Bewusstsein der Tutzinger rücken.

Das Schloss ist das Wahrzeichen des Ortes. Wir freuen uns auch auf Gäste aus Tutzing und der Region. Wir sind gerne Gastgeber.

2017 wird die Akademie 70 Jahre alt. Wie wird gefeiert?

Wir sehen eher dem 75. Geburtstag entgegen. 2017 steht der Jahresempfang im Januar im Zeichen des Jubiläums. Es wird auch einen Tag der Offenen Tür geben. Und gern stellen wir wieder die Kulisse für die Tutzinger Fischerhochzeit. Für dieses Jahr planen wir am 11. September ein Picknick im Park.

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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