Tutzing:Chor der Superlative

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Der Windsbacher Knabenchor in der Evangelischen Akademie Tutzing

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Selbst der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und der bayerischer Ministerpräsident a.D. Günther Beckstein beehrten zu diesem Benefizkonzert die Evangelische Akademie Tutzing. Nicht nur, weil das Anwesen, das die vom Erlös des Abends begünstigte Stiftung Schloss Tutzing denkmalpflegerisch miterhält, eine Perle am Seeufer ist. Sondern auch, weil zu diesem Konzert ein Klangkörper der Extraklasse angereist war, um dem strahlenden Akademiedirektor Udo Hahn zur Seite zu stehen: Der Windsbacher Knabenchor mit seinem künstlerischen Leiter Martin Lehmann brachte Motetten und geistliche Gesänge aus fünf Jahrhunderten mit. Leise, von sinnierend bis beherzt, setzte dabei der Lautenist Andreas Arend feinsinnig-filigrane Zäsuren mit den Sätzen der Suite BWV 995 von Bach.

Wenn die Windsbacher Knaben auftreten, eilen ihnen die Superlative voraus. Und das nicht ohne Grund. Man muss nicht wissen, dass der Chor - vom kristallinen Kindersopran bis hin zum dunklen Bass junger Männer - weltweit zu den renommiertesten seiner Art gehört. Es genügte ein Ton, um die herausragende Qualität selbst festzustellen.

Welche Präzision und Exaktheit! Die Intonation und Gestaltung derart perfektionistisch, als wäre jede Stimme der Partitur solistisch besetzt und jeder Ton aus geschmeidig weichem Wachs. Sorgfältig plastisch durchgeformt blieb jedes Wort klar verständlich, dank der großen Transparenz selbst im kompliziertesten achtstimmigen Chorsatz. Aber das war erst das Handwerkszeug, mit dem der etwa 60-köpfige Chor Musikalität auf höchstem Niveau bot.

Lehmanns Dirigat visualisierte geradezu vorab die jeweilige Klangnuance und den Ausdruckscharakter, aus denen sinfonische Erhabenheit und Größe strömten, aber bisweilen auch kammermusikalische Leichtigkeit kam. Die Verständigung verlief ohne den geringsten Reibungsverlust. Die Choristen trafen homogen und einhellig stets zielsicher genau die Nuance, die nötig war, um die maximale und der Epoche des Komponisten entsprechende Wirkung zu erzielen. Beispielsweise die sinfonische Durchbildung in Mendelssohns "Jauchzet dem Herrn, alle Welt". Oder die weiten Melodielinien von Charles Villiers Standford in "Beati quorum via".

Max Reger - nur wenige Kilometer entfernt von Windsbach geboren - machte den Schwerpunkt im Programm aus. Und das gab den Chorknaben die Möglichkeit, die vielen Facetten ihres Gestaltungsreichtums- angeregt von Bach, über Liszt, Brahms und Wagner bis hin zu Bruckner - in dessen Werken vom stimmungsvoll ausbalancierten Piano bis hin zu impulsiv-sinfonischen Ausbrüchen zu exponieren. Frenetischer Applaus.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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