SZ-Serie: Wir öffnen Türen:Blick in die Antike

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In nummerierten Fächern bewahrt Hansjörg Hägele Fibeln aus Bronze, Silber und Eisen auf. Solche Schmuckstücke tauchen in Gauting immer wieder auf, wenn Baugruben ausgehoben werden. (Foto: Georgine Treybal)

In einem feuchten Kellerraum sammeln Hobby-Archäologen Funde aus der Römerzeit. Inzwischen werden dort Tausende Scherben, Schmuckstücke und Münzen aufbewahrt

Von Blanche Mamer, Gauting

Hansjörg Hägele, der ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft für Archäologie und Geschichte Oberes Würmtal, sperrt das Depot im Untergeschoss eines Gebäudes in der Reismühler Straße in Gauting auf. Der Ort könnte mit seiner römischen Vergangenheit Imagewerbung betreiben, findet er. Denn der Ort Bratananium war mehr als eine Durchgangsstation an der Kreuzung von zwei Römerstraßen, es müsse sich um ein lebhaftes Handelszentrum gehandelt haben, möglicherweise um den wichtigsten Ort zwischen Augsburg und Salzburg, glaubt Hägele. Renommierte Wissenschaftler teilen nach seinen Worten diese Ansicht.

Als erstes kontrolliert Hägele den Entlüfter, der die Feuchtigkeit aus dem Raum zieht. Im Sommer mussten an jedem zweiten Tag etwa viereinhalb Liter Wasser ausgeleert werden. Dann führt er zum selbstgebauten hölzernen Schrein mit sechs großen Schubläden. Hier sind 168 Fibeln aus Bronze, Silber oder versilbertem Eisen einzeln in nummerierte Fächer eingeordnet.

Dass es sich dabei nicht nur um notwendige Gebrauchsgegenstände handelte, um die Gewänder zusammenzuhalten, sondern um wahre Schmuckstücke, zeigen die dynamischen Formen und Emaille-Verzierungen. Da liegt zum Beispiel eine große Fibel in Form eines Omega, daneben ein kleineres Objekt, das mit dem Namen des Kriegsgottes Mars versehen ist; die Buchstaben sind ineinander verschlungen. Oder eine 13 Zentimeter große lange norisch-pannonische Doppelknopffibel mit siebförmigem Nadelhalter, wie Hägele erläutert. Sie wurde auf dem Anwesen eines Feinschmieds gefunden, sagt er. Nach der Analyse der Archäologin Valeria Selke sei sie wohl als Altmaterial zum Einschmelzen vorgesehen gewesen, erklärt er.

Der Hobbyarchäologe ist stolz auf die zahlreichen Fundstücke, die in den vergangenen Jahrzehnten auf Baustellen ausgegraben wurden. Doch solange es keine Ausstellungsräume gibt, ist die Ausbeute an Münzen, Schmuck, Geschirr aus Terra sigillata, Tonkrügen, Figuren aus Glas und Gebrauchsgegenständen aus dem ersten und zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung im feuchten Untergeschoss nahe der Würm für die Öffentlichkeit nicht zu sehen. Zu den Artefakten, die Hägele aus einem alten Glasbuffet hervorholt, gehören zum Beispiel ein Kantharon, ein glasiertes römisches Trinkgefäß mit reich verzierten Henkeln, eine große Schale mit Weinblattmuster, in Spiegelschrift signiert vom Töpfer Zinnabes, ein winziges Schminkdöschen mit einem Durchmesser von etwa zwei Zentimetern und einem stecknadelgroßen Knauf auf dem Deckel, ein Schöpflöffel aus versilbertem Eisen, Tonkrüge in verschiedenen Größen und nobles Tafelgeschirr aus stark gebrannter Keramik mit glänzender Oberfläche. Das darauf hindeutet, dass die Römer, die dort wohnten, wohlhabend waren. In den Regalen an den Wänden sind etwa 500 durchnummerierte Kartons und Kunststoffkisten gestapelt. In einem Verzeichnis kann Hägele nachschauen, was sich in den Kartons befindet, und was wann wo gefunden wurde. Darin sind tausende Scherben, Grabbeigaben, Brandopferreste und noch nicht untersuchte oder einzeln dokumentierte Gegenstände.

Trotz aller Rückschläge hat Hägele die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es irgendwann die Gelegenheit gibt, die historischen Schätze der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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