SZ-Serie: Routen der Römer, Teil 3:Händler, Handwerker und Soldaten

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In Gauting gibt es unzählige Funde aus der Römerzeit. Vor allem die diversen Münzen zeugen von der wirtschaftlichen Bedeutung der Ansiedlung, in der sich zwei wichtige Straßenverbindungen kreuzten

Von Blanche Mamer, Gauting

Im Sommer wird es offensichtlich: Die Landkreisbürger reisen nicht nur gern, auch ihre Heimat ist ein beliebtes Ferienziel. Und dementsprechend viele verschiedene Euro-Münzen aus anderen EU-Ländern finden sich im Portemonnaie. Neben dem Bundesadler sind Euro-Münzen mit Dante auf der Vorderseite (Italien), der Eule (Griechenland), Mozart (Österreich), der Kathedrale von Santiago die Compostela (Spanien), oder sogar den fliegenden Schwänen (Finnland) zu finden. Man könnte einen Vergleich ziehen mit den Römern in Gauting. Da im Vicus Bratanium, wie die Siedlung an der Würm vor 2000 Jahren hieß, sehr viele verschiedene römische Münzen gefunden wurden, kann man davon ausgehen, dass es ein nicht ganz unbedeutender Reisedurchgangs- und Handelsort war. "Im ganzen römischen Reich gab es ein einheitliches Münzsystem. Jedoch sind nicht alle Geldstücke in Rom geprägt worden, bei Grabungsarbeiten in Gauting wurden Münzen aus weit entfernten Prägezentren gefunden, wie Trier und Lyon, Osca in Spanien und Laodicea in Syrien", berichtet Hansjörg Hägele, langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft für Archäologie und Geschichte Oberes Würmtal. Für sein Buch "Römische Münzen aus Gauting" hat Hägele 470 Geldstücke, die bei Ausgrabungen und in Gräberfeldern gefunden wurden, systematisch erfasst und katalogisiert. Mehr als ein Viertel davon stammen aus entfernten Prägeorten, das Geld war also viel herumgekommen.

Das antike Bratanium befand sich südlich der jetzigen Gautinger Ortsmitte, im Reismühler Feld. Hier verlief die wichtige Straße von Bregenz und Kempten in Richtung Nordosten. Hier haben Soldaten Station gemacht. Viele Händler und Handwerker haben sich nahe der Würm angesiedelt. Später erst wurde die zweite wichtige Verbindungsstraße, die Ost-West-Trasse von Augsburg nach Salzburg, gebaut. Man weiß, dass beide Straßen im Ortsbereich von Gauting, das sich für einen Übergang über die Würm eignete, zusammentrafen. Wo genau, ist allerdings noch nicht endgültig geklärt. Die Geschichte bleibt spannend.

Zahlreiche Funde aus römischer Zeit kamen bei den Ausgrabungen im sogenannten südlichen Gräberfeld von Gauting zu Tage. (Foto: Georgine Treybal)

Bereits im 19. Jahrhundert waren römische Straßenverläufe in Gauting vermutet worden. 1865 waren am Krapfberg oberhalb des Rathauses etwa 100 Gräber gefunden worden. Man ging damals schon von einer nicht unbedeutenden römischen Siedlung im Süden des Gautinger Ortskerns aus. 1930 wurde der Verdacht konkreter: Bei Bauarbeiten Ecke Reismühlerstraße/Reismühlerweg fand man ein Lager mit gut erhaltenen Tonkrügen, vermutlich von einem Keramikhändler; sechs Jahre später stieß man auf ein Wohnhaus mit Thermenanlage und Tempelchen, was eine kleine Sensation war und an der römischen Vergangenheit Gautings keine Zweifel ließ. Mit dabei war der Gautinger Gymnasiallehrer und passionierter Historiker Wolfgang Krämer. Er hat diese Funde erhalten und dokumentiert. 1947 fand man ein Lager mit Terra-Sigillata-Schüsseln. 1951 kamen an der Reismühlerstraße die Reste einer Straßenstation zu Tage, gefunden wurde zudem ein Speicherhaus mit Markthalle.

Gefunden wurden Fibeln, Schmuck und viele Münzen. Ein Teil der Funde ist in einer kleinen Ausstellung im Gautinger Rathaus zu sehen, andere werden in der Historischen Staatssammlung ausgestellt. (Foto: Georgine Treybal)

Da in den 1990er Jahren viel in dem Viertel gebaut wurde, fanden sich immer weitere Überreste aus der Römerzeit, 1996 war es eine Herberge mit einem beheizbaren öffentlichen Badehaus und 1999 stießen die Archäologen, die mittlerweile immer dabei waren, auf einem seit Jahrhunderten unbebauten Grundstück auf eine ebene Kiesfläche und einen gepflasterten Platz. Das machte die Annahme Krämers von einem Forum wahrscheinlich. 2000 kamen die Überreste eines Wohnhauses mit Fußbodenheizung und bemaltem Wandputz zu Tage. 2002 fanden sich bei einer Grabung Ecke Elisabeth-/Reismühlerstraße zahlreiche Fibeln und verschieden große Bronzeteile, was eine Feinschmiede vermuten ließ - sowie 71 Münzen. Die wichtigste war ein Aureus des Domitian, aus dem Prägejahr 82. Der Aureus habe im täglichen Leben keine große Rolle gespielt, sagt Hägele. Der silberne Denar, ebenfalls aus Gautinger Funden, war durchaus gängig, vor allem bei größeren Zahlungen wie dem Sold der Legionäre beispielsweise.

Die in Gauting gefundenen und sehr gut erhaltenen Münzen aus dem Vicus und den zugehörigen Gräberfeldern stammen aus der Zeit der römischen Republik (90 vor Christus) bis zu Kaiser Valentinian (364 bis 375). Daraus lasse sich jedenfalls schließen, dass das frühere Bratanium rund 500 Jahre lang kontinuierlich besiedelt war. "Alles in allem kann man sagen, dass Bratanium auch ein Durchgangsort für Reisende war, die ebenfalls Souvenirs erwarben, wie zum Beispiel kleine Venusstatuen aus Terracotta, kleine Glasflaschen und Gefäße aus Terra sigillata", sagt Hägele.

Im Bereich des römischen Vicus westlich der Würm gab es bis 2014 etwa 40 Grabungen. Auch östlich der Würm wurden Siedlungsspuren festgestellt. Die Grabungen wurden dokumentiert, die Flächen sind meist überbaut und somit nicht mehr sichtbar. Das meiste Fundmaterial - mehr als 190 000 Scherben, Schmuckstücke, Gebrauchsgegenstände und römische Überreste - lagert im Gautinger Depot der Archäologischen Gesellschaft in der Reismühlerstraße, einige schöne Fundstücke sind im Foyer des Rathauses ausgestellt und viele der älteren Relikte sind in der Archäologischen Staatssammlung in München zu finden.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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