Steinebach:Enorme Herausforderung

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Andreas Sczygiol dirigiert das Vokalensemble Fünfseenland und den Orchesterverein München 1880. (Foto: Arlet Ulfers)

Laien wagen sich an Cherubinis Requiem heran

Von Reinhard Palmer, Steinebach

Dieses Konzert war eine wertvolle Erinnerung daran, dass es in der ernsten Musik noch eine Menge zu entdecken gibt. Gerade in den Epochen vor großen Meistern gab es schon großartige Komponisten, die wertvolle Vorarbeit geleistet haben, aber bis heute nicht aus dem Schatten der berühmteren Vollender ihrer Ideen heraustreten. Andreas Sczygiol am Pult des Vokalensembles Fünfseenland und des Orchestervereins München 1880 findet solche Perlen irgendwo zwischen Mozart, Haydn, Beethoven und Mendelssohn. Sowohl die Sinfonia B-Dur op. 18/2 (1774) von Johann Christian Bach als auch das Requiem in c-Moll (1816) von Luigi Cherubini, die in der Wörthseer Kirche zum Hl. Abendmahl zur Aufführung gelangten, sind Werke, die etwas abseits der im Konzertbetrieb gängigen Gattungen liegen, doch keinesfalls nachrangig in der Qualität sind.

Der jüngste Bach-Sohn war in erster Linie Opernkomponist, daher war auch seine Sinfonie als Ouvertüre konzipiert, damals noch ohne Bezug zu den Inhalten der Oper, des Dramas "Lucio Silla". Eine Sinfonie, die dazu gedacht ist, das lärmende Publikum zur Ruhe zu bringen, eignet sich, um großzügig aus dem Vollen zu schöpfen und sich mit satter Substanz einzuspielen. Das Orchester ging in der Kirche zum Hl. Abendmahl mit Elan zu Werke und pointierte prägnant. Es dauerte etwas, bis sich Detailpräzision und Intonationssauberkeit einstellten, um das warme Andante schönmelodisch auszusingen. Der festliche Schlusssatz in mitreißender Heiterkeit wies den Komponisten als Vorklassiker aus.

Mit Cherubini fand sich das zahlreiche Publikum in einer anderen musikalischen Welt wieder. Die Kompositionskunst des Italieners ist nicht nur im Sinne der Klassik konstruktiv durchdacht, sondern folgt auch einem eigenständigen ästhetischen Ideal. Zum 23. Jahrestag der Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. komponiert, ist das Requiem auch ein weltliches Werk. In seiner geistreichen Anlage verlangt das Requiem eine sorgfältige inhaltliche Ausdeutung, die für die Laienensembles eine enorme Herausforderung darstellte. Gerade was den schwierigen Spannungsaufbau betrifft, hatte Sczygiol alle Hände voll zu tun, die Klangkörper homogen auf die komplexe Tektonik des Werkes auszurichten und die Dynamik schlüssig zu modellieren. Das war eine Höchstleistung, da die verzwickten Entwicklungen bisweilen über sehr weite Strecken gedehnt sind, aber auch energische Wendigkeit verlangt ist. Dem Orchester fiel es schwer, sich ins Pianissimo zurückzuziehen, was dem Chor indes bereits im Introitus mit schönfarbiger Feinsinnigkeit möglich war. Immer wieder kamen nahezu romantische Passagen zum Vorschein, die entsprechend wirkungsvoll umgesetzt werden wollten. Solche großen Befreiungspassagen, die sich meist hymnisch steigerten, bewältigten die Ensembles überzeugend, vor allem hinsichtlich der warmtonigen Klangbalance.

Die höchste Schwierigkeit bestand für die Laien darin, die fragilen, sinnierenden Passagen des Werkes klar und transparent zu gestalten. So etwa das lyrisch-melancholische "Pie Jesu", das sich sehr langsam entwickelt und nur in adäquat schwermütiger Atmosphäre überzeugen kann. Grundsätzlich brachten die Ensembles schon das nötige Verständnis auf, den sinfonischen Aufbau zu realisieren. Eine Konstruktion, die erst im Zusammenwirken zur ausdrucksstarken, einer höheren Aussage dienenden Musik wurde.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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