Starnberger Stadtrat:Letzter Akt nach Mitternacht

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In einem dreistündigen Abstimmungsmarathon ändert der Stadtrat mit großer Mehrheit die Geschäftsordnung und beschränkt damit deutlich die Befugnisse von Bürgermeisterin Eva John

Von Peter Haacke, Starnberg

Der sommerliche Höhepunkt des Starnberger Polit-Theaters hat die Erwartungen enttäuscht: In einer insgesamt nahezu sechseinhalb Stunden dauernden, zermürbenden Sitzung, die erst kurz nach 1 Uhr in der Nacht endete, befasste sich das Gremium in der Hauptsache erneut mit sich selbst, sprich: mit der Geschäftsordnung. Bürgermeisterin Eva John, die sowohl das Drehbuch für die letzte Aufführung des Stadtrats vor der zweimonatigen Pause kreiert hatte und auch Regie führte, erlitt eine der schwersten Niederlagen ihrer Amtszeit: Kaum einer ihrer Vorschläge fand Eingang in die Neufassung. Knapp 50 Zuhörer hatten sich eingefunden, am Ende folgten bestenfalls noch zehn davon der thematisch hoffnungslos überfrachteten Sitzung. Die neuen Spielregeln für das Gremium wären wohl besser in eigener Sitzung behandelt worden.

Freilich forderte die Inszenierung auch beim Ensemble ihren Tribut: Vorzeitig verließen Ludwig Jägerhuber (CSU), Iris Ziebart (FDP), der gesundheitlich angeschlagene Franz Sengl (Grüne), Maximilian Ardelt (WPS) und Winfried Wobbe (UWG) gegen Mitternacht den Ort des Geschehens, während Anton Wiesböck (FDP) tapfer gegen die aufsteigende Müdigkeit ankämpfte. Insbesondere bei John in ihrer Rolle als Bürgermeisterin schienen die Nerven blank zu liegen. Mit zunehmender Sitzungsdauer agierte sie auffallend gereizt.

Inhaltlich dagegen blieb die Sitzung farblos: Christoph Winkelkötter (Gesellschaft für Wirtschaftsförderung) und Tourismus-Geschäftsführer Klaus Götzl erläuterten zum Auftakt ausführlich ihre Fusionspläne, die das Gremium mehrheitlich absegnete. Dann aber folgte - dank geänderter Tagesordnung - bereits der denkwürdige Höhepunkt des Abends. Thema des Stücks: Die Geschäftsordnung (Teil II).

Patrick Janik (UWG) hatte viel Papier verteilt: Den Antragstext, die Geschäftsordnung in der Fassung vom 16. Juni sowie vom 25. Juli und eine Änderungsversion. Die Stadtverwaltung hielt dagegen mit eigenem Papier, das der SZ erst am Dienstag vorlag. Zum Auftakt der Debatte brannte Markus Mooser (WPS) ein rhetorisches Feuerwerk ab: Er schmähte den Entwurf der neuen Geschäftsordnung als "erbärmliche Leistung" und "geistigen Schmarrn", der "im Grunde alles blockiert". Die Antragsteller hätten eine "juristische Watschn" von der Rechtsaufsicht kassiert und in Eva John habe Starnberg "eine Bürgermeisterin, die endlich was vorbringt" im Hinblick auf Seeanbindung und Verkehrslösung. Josef Pfister (BMS) bestätigte seine Abneigung gegen Juristen und kritisierte das "gefühlsduselige Schwelgen in Bürgernähe und Transparenz". Die Antragsteller wollten nur "die Arbeit der Bürgermeisterin kaputt machen" und "Starnberg im Würgegriff eines Dornröschenschlafs halten". Iris Ziebart (FDP) witterte gar "eine Strafaktion gegen die Bürgermeisterin".

Damit hatten sich die wesentlichen Argumente von WPS, BMS und FDP jedoch auch schon erschöpft. Stefan Frey (CSU) empfahl - ebenso wie Martina Neubauer (Grüne) - eine sachliche Herangehensweise. Janik indes attestierte der WPS ein eher "laienhaftes Verständnis" der Materie und empfahl: "Lassen Sie es sich erklären". In der Folge debattierte das Gremium - mühselig Paragraf für Paragraf - in einem wahren Abstimmungsmarathon über drei Stunden lang die Geschäftsordnung. CSU, BLS, UWG, SPD, Grüne und Parteifreie waren sich einig, das häufigste Abstimmungsergebnis lautete 20:10 gegen WPS, BMS und FDP. Die ausführlich kommentierten, aber durchgängig abgelehnten Vorschläge der Verwaltung lauteten: "Die bisherige Regelung wird beibehalten".

Der Stadtrat hat jetzt - vorbehaltlich der Prüfung durch die Rechtsaufsicht - eine Geschäftsordnung, die weiteres eigenmächtiges Vorgehen der Bürgermeisterin weitgehend eindämmt. In der Sache aber ist man nach zwei Jahren Amtszeit von Eva John genauso weit wie vor zwei Jahren.

© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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