Bildung:Keine Experimente

Gymnasien in Bayern könnten sich für einen Modellversuch mit neun Jahrgangsstufen melden, doch die Direktoren im Fünfseenland befürchten mit der "Mittelstufe plus" nur neue Probleme

Von Christian Deussing, Starnberg

Weniger Druck, Tempo und Stress, dafür mehr Zeit fürs Lernen und die Förderung: Nach diesem Prinzip hat das Kultusministerium bayernweit Gymnasien angeboten, sich für das zweijährige Pilotprojekt "Mittelstufe Plus" mit einem zusätzlichem Schuljahr nach der neunten Klasse zu bewerben. An diesem Freitag ist die Frist abgelaufen, doch keines der Gymnasien aus dem Fünfseenland meldet Interesse an dem Modell an. Es bestehe kaum Bedarf, die Vorgaben seien zu unklar und man sei mit dem achtstufigen System zufrieden, lautet der Tenor der Direktoren, die eine "gedehnte Mittelstufe" derzeit zumindest ablehnen.

Zum Beispiel der Leiter des Starnberger Gymnasiums, Josef Parsch. Es gebe zudem in seiner Mittelstufe schon viele Fächer-Varianten, die sich mit einer separaten Klasse noch verdoppeln könnten. Das sei aber organisatorisch kaum machbar und für den Schulbetrieb auch nicht besonders sinnvoll, erläutert der Direktor. Überdies habe sich in der Lehrerkonferenz und im Elternbeirat niemand für diese "Mittelstufe Plus" stark gemacht.

Ähnlich verlief offenbar die Debatte zu den ministerialen Vorschlägen in den Gremien des Christoph-Probst-Gymnasiums in Gilching. Allerdings war dessen Direktor Peter Meyer für das neue Modell durchaus offen gewesen und hätte sich gern beworben. Er hätte es spannend gefunden, "mitzugestalten und ein Nebeneinander von G 8 und einer neuen G 9-Jahrgangsstufe auszuprobieren". Meyer führt pädagogische Gründe an, die er bei Schülern gelten lassen würde, die ein weiteres Jahr einschieben wollen.

Ein Motiv für "mehr Zeit zum Lernen" seien für ihn beispielsweise Mittelstufenschüler, die sich gerade in Sportkadern, Vereinen oder musikalisch engagieren. Anderseits erkenne er mögliche Probleme: So gebe es kein weiteres Budget, aber mehr Klassen, weshalb wieder woanders in der Schule gespart werden müsse, sagt Meyer. Zudem sei lange Zeit die genaue Regelung des Nachmittagsunterrichts unklar gewesen. Dies soll noch für zwei Stunden in der zehnten Klasse verpflichtend sein.

Diesen Punkt spricht ebenso Bruno Habersetzer an, der das Tutzinger Gymnasium leitet. "Die Linie des Versuchs ist zu unklar", vieles sei berichtigt und nachgebessert worden. Das Schulforum und die anderen Gremien seien sich einig, mit dem Budget haushalten und die Ergebnisse des Projekts lieber erst abwarten zu wollen, sagte Habersetzer der SZ.

Eine klare Meinung zur "Mittelstufe Plus, in der Schüler beim Lernen Zeit gewinnen können, hat Sylke Wischnesvky, Direktorin des Otto-von-Taube-Gymnasiums in Gauting. Ihrer Ansicht nach wird das Thema auf "falscher Ebene" behandelt. Schließlich würden jene Schüler, die für ein Gymnasium geeignet seien, es auch sicherlich schaffen. Wegen zeitweisen Schwächen und Motivationsproblemen von Jugendlichen müsse "nicht die Schulstruktur umgestaltet werden", meint Wischnevsky. Sie betont zugleich, wie gut man in den vergangenen zwölf Jahren mit dem geltenden System, sprich acht Jahrgangsstufen, gefahren sei.

Auch das Ammersee-Gymnasium in Dießen hat sich nicht um das Projekt beworben. Dort wird genauso darauf verwiesen, dass Schüler gefördert würden, um das Pensum zu schaffen. Schulleiter Klaus Rechenberger ist jedoch gespannt, wie aussagekräftig ein Modell sein könne, das zwar nur zwei Jahre dauere, allerdings für Schüler gelten soll, die künftig vier Jahre in der Mittelstufe lernen dürften. Dass aber vor allem in ländlichen Bereichen das Modell interessant ist, weil auf den Nachmittagsunterricht weitgehend verzichtet werden könnte, weiß der Direktor. Fehlende oder schlechte Verkehrsverbindungen sollten indes hierfür kein Kriterium sein, sagt Rechenberger. Sinnvoller sei es doch, die Busverbindungen zu verbessern.

Anders als im Fünfseenland ist die Resonanz an Gymnasien in anderen Regionen offenbar vorhanden, den Versuch einer entschleunigten Mittelstufe zu starten. Kurz vor Ende der Frist sei ein großes Interesse von Lehrern und Eltern feststellbar, die Mittelstufe "entspannt in vier statt in drei Jahren zu durchlaufen", teilt der Bayerische Philologenverband (BPV) mit. Dieser rechnet damit, dass sich mehr Gymnasien um das Projekt bewerben als Plätze zur Verfügung stehen.

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