Tafel-Helferin Irmgard Rau:Im Einsatz gegen die Armut

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Auch mit 92 Jahren arbeitet Irmgard Rau (3. von rechts) immer noch bei der Starnberger Tafel mit, wofür sich die Helfer jetzt bei ihr bedankten. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Seit Gründung der Starnberger Tafel verteilt Irmgard Rau ehrenamtlich Lebensmittel. Nun feiert sie ihren 92. Geburtstag.

Von Clara Brügge, Starnberg

Es gibt viele ältere Menschen, die ab einem gewissen Zeitpunkt mit ihrem Lebenswerk abgeschlossen haben. Nach Jahren der Anstrengung in Beruf und Alltag verbringen sie den Herbst ihres Lebens lieber damit, einfach mal nichts zu tun. Nicht so Irmgard Rau: Jeden Donnerstagmittag steht sie hinter dem Wurst- und Käsestand der Starnberger Tafel und verteilt Nahrungsmittel an mittellose Menschen. Da macht sie auch einen Tag vor ihrem 92. Geburtstag keine Ausnahme.

Seit der Gründung im Frühjahr 1998 engagiert sie sich ehrenamtlich bei der Starnberger Lebensmittelausgabe. "Frau Rau war von Anfang an dabei", erinnert sich Edith Clemm, die den Helferkreis vor 17 Jahren initiierte. "Sie ist absolut zuverlässig und immer da." Und auch die engagierte Seniorin sagt: "Ich glaube, ich habe fast noch nie gefehlt". Als sie damals von dem neugegründeten Helferkreis hörte, sei sie bereits in Rente gewesen und habe sofort gesagt, dass sie mitmachen möchte. Seitdem steht sie ein Mal die Woche bei jedem Wetter auf dem Gelände hinter der evangelischen Friedenskirche und verteilt Käse, Quark und Wurst an Bedürftige. Über die Jahre habe sie so auch die individuellen Vorlieben und Essenswünsche von sämtlichen Besuchern der Tafel kennengelernt. Denn mittlerweile bietet der Helferkreis eine relativ große Auswahl an Nahrungsmitteln an.

Das sei nicht immer so gewesen, betont Rau: "Ganz am Anfang gab es nur selbstgeschmierte Schmalzbrote." Das dafür benötigte Brot habe sie zum Teil noch aus eigener Tasche bezahlt. Und fehlende Lebensmittel seien damals nicht das einzige Problem gewesen: Der damalige Bürgermeister Starnbergs, Heribert Thallmair, sei nicht von Anfang an von der Idee begeistert gewesen, einen Helferkreis ins Leben zu rufen. "In Starnberg gibt es keine Bedürftigen", habe er damals gesagt, erinnert sich Edith Clemm. Doch dies sei eine irrtümliche Annahme. "Alle denken, Starnberg ist so reich", sagt Irmgard Rau. Dabei gebe es auch hier Menschen, die wenig oder gar nichts haben. "Es kommen unter anderem viele junge Mütter, die von ihren Ehemännern verlassen wurden und kein Geld für Nahrungsmittel haben", erklärt sie.

Auch unter den Einwohnern Starnbergs gab es im Jahr 1998 noch einige, die sich unter dem relativ jungen Konzept einer Tafel für Bedürftige nicht viel vorstellen konnten. "Am Anfang kamen sogar Leute zu uns, um eine Taufe oder eine Beerdigung anzumelden", erinnert sich Irmgard Rau. Sie dachten offenbar, die Helfer arbeiteten für die Kirche. Doch die anfängliche Skepsis mancher Einwohner hielt nicht lange an. Mittlerweile ist die Starnberger Tafel zu einer festen Institution geworden, getragen von den Spenden von Menschen aus dem Umkreis und - natürlich - von der ehrenamtlichen Mitarbeit von Helfern wie Irmgard Rau. Trotz ihres hohen Alters kommt Aufhören für sie nicht in Frage: "So lange ich im Kopf richtig bleibe, mache ich weiter", erklärt sie entschlossen. "Das ist doch besser, als im Heim zu sein."

Nur ihre Beine machen ihr zu schaffen. Mittlerweile müsste Edith Clemm sie deswegen jeden Donnerstag zur Tafel und wieder zurück bringen. Doch auch das ist für die bewundernswerte Dame kein Grund, ihr Engagement zu beenden. Die übrigen Mitarbeiter der Tafel schätzen ihre ungebremste Motivation und ihre liebenswerte Art: "Frau Rau ist ein ganz lieber, ausgeglichener und wertvoller Mensch", findet auch Susanna Götz, die mittlerweile den Vorstand der Tafel innehat.

Und so wird Irmgard Rau auch am kommenden Donnerstag wieder hinter dem Wurst- und Käsestand der Starnberger Tafel stehen. Doch erst einmal wird ihr Geburtstag gefeiert: Mit einem Essen unter Freunden beim Italiener.

© SZ vom 20.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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