Starnberg:Die Kraft des Schweigens

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Fasten ist wieder modern. Im Kloster Bernried sollen die Wochen des Verzichts geistige Orientierung geben.

Sylvia Böhm-Haimerl

Bewusst auf feste Nahrung verzichten, Alltagsgewohnheiten überdenken, sein Leben neu ordnen: Fasten ist wieder modern, und in der Osterzeit haben entsprechende Angebote Hochkonjunktur. Unter dem Motto "Mensch, stell dich auf deine Füße, ich will mit dir reden!" bieten zum Beispiel auch die Missions-Benediktinerinnen im Kloster Bernried Fasten- und Meditationswochen an. Die Veranstaltungen dort haben aber nur wenig gemein mit herkömmlichen Angeboten dieser Art. Das Kloster will vor allem spirituelle Impulse geben. "Die Kraft des Schweigens wird erlebt", sagt Schwester Beate Grupp, Leiterin des Bildungshauses St. Martin. Ostern ist das wichtigste Fest der Christen. Die Fastenzeit gilt als österliche Bußzeit. Nach dem Fasching und der Zeit des Feierns soll auf Nahrungs- und Genussmittel wie Nikotin und Alkohol, Süßigkeiten oder Kaffee verzichtet werden. Wie Schwester Beate betont, können die Formen des Fastens sehr unterschiedlich sein, auch das Sozialverhalten wird überdacht. "Das Fasten ist ganzheitlicher geworden." Ostern bedeute auch Aufbruch und Neubeginn gerade nach en Wintermonaten. Ziel der Fastenwochen im Kloster Bernried ist es, Verzicht zu üben nach dem Motto "Der Mensch lebt nicht vom Brot alleine". Die Teilnehmer nehmen ausschließlich flüssige Nahrung zu sich: Wasser, Tee, Gemüsebrühe und Obstsäfte. Das bedeute eine Entlastung für den Körper. Schon nach zwei bis drei Tagen werde er frei und leicht, sagt Schwester Beate, das mache ihn aufnahmebereit für das Spirituelle. Die Teilnehmer erforschen ihre innere Sehnsucht, die oft im Alltag überdeckt werde. Der Morgen beginnt mit Meditation. In Texten und Gedichten wird der Frage nachgegangen, was bedeutet Ostern für den Glauben, für die Christen, für die Menschen und für das persönliche Leben. Und das ist der wichtigste Unterschied zu herkömmlichen Fastenwochen: Im Kloster gibt es keinen Zeitvertreib. Stattdessen sollen die Fastenwochen geistige Orientierung geben, sollen eine Zeit der inneren Einkehr sein. Fasten im Kloster bedeutet auch bestärkt werden im Glauben und die Gemeinschaft, das Miteinander zu erfahren. Die Besucher dürfen am Chorgebet der Schwestern teilnehmen, mitsingen und beten. In den freien Stunden dazwischen sollen sie sich viel bewegen. Es werden zwar Einzelgespräche angeboten, ansonsten soll es eine Zeit des Rückzugs sein. Abends werden Erfahrungen ausgetauscht. Das Schweigen falle vielen Teilnehmern schwer, hat Schwester Beate beobachtet. Abgebrochen habe deshalb aber noch niemand. "Viele sind vom Kloster und dem Fasten angezogen" sagt die Ordensschwester. Die Teilnehmer sind überwiegend Frauen, die empfänglicher seien für spirituelle Bildungsarbeit. Meist durchlebten sie gerade eine Zeit des Umbruchs und der Neuorientierung, etwa wenn die Kinder aus dem Haus sind oder während der Menopause. Sie wollen sich nicht verlieren im "Beansprucht sein" und mit sich selbst ins Reine kommen, so Schwester Beates Erfahrung. Insgesamt 1000 Besucher jährlich nehmen an den Angeboten der Bildungseinrichtung teil, davon 100 alleine an Ostern. Und die meisten Teilnehmer kommen wieder.

Ein Weg zur inneren Einkehr: Auch das Kloster Bernried bietet Fastenwochen an. Foto: Georgine Treybal (Foto: STA)
© SZ vom 05.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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