Starnberg:Aufbruch ins digitale Zeitalter

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Wolfgang Bartelmann ist neuer Inhaber der "Bücherjolle" in Starnberg, nachdem Ole Schultheis das Geschäft abgegeben hat.

Otto Fritscher

Tina Bartelmann arbeitet seit einem Dreivierteljahr in der Starnberger "Bücherjolle", die sie nun zusammen mit ihrem Vater Wolfgang und ihrer Mutter Gudrun führt. Foto: Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

- Es ist ein Wort, das Wolfgang Bartelmann nicht gerne hört - vor allem, wenn es auf ihn selbst gemünzt ist: Versandbuchhändler. "Das klingt doch nach einem Buchhändler zweiter Klasse", sagt er, im Gegensatz zu einem, der ein ordentliches Ladengeschäft betreibt, also einen stationären Handel. Wie dem auch sei: Seit einigen Tagen darf sich Bartelmann nicht nur "Fachbuchhändler" nennen, wie es auf seiner Visitenkarte steht, er ist als neuer Inhaber der Bücherjolle, jenes Traditionsgeschäfts am Starnberger Kirchplatz, nun ein "richtiger" Buchhändler geworden. Den Laden hat er Ole und Ulrike Schultheis abgekauft, die sich nach 16 Jahren aus dem Geschäftsleben zurückgezogen haben. "Ich bin einfach reingegangen und habe ihn gefragt, ob er verkaufen will", erinnert sich Bartelmann. Das war vor zwei Jahren.

Und nun? "Ein Traum", sagt Bartelmann, und Ehefrau Gudrun und Tochter Tina, 36, nicken zustimmend. Denn dieses Geschäft sei schon etwas Besonderes: "Es gibt viele Kunden, für die wir so eine Art Wohnzimmer sind", hat Bartelmann schon erfahren. Und er hat große Pläne: Zum einen soll das Wohnzimmer noch erheblich aufgehübscht und gemütlicher werden, zum anderen will Bartelmann den Aufbruch in die digitale Welt des Lesens, in das Reich der E-Books, deutlicher und erlebbar werden lassen. "Die E-Books sind mitnichten das Ende der konventionellen Bücher", ist Bartelmann überzeugt. Im Gegenteil: "Hauptsache, es wird gelesen." Bislang war man allerdings in der Bücherjolle auf Papier beschränkt, was nun anders werden soll: "Jedes Buch, das bei Amazon lieferbar ist, soll man auch bei uns als E-Book bestellen und herunterladen können", kündigt Bartelmann an, der auch schon einen Werbespruch im Kopf hat: "Warum an den Amazonas segeln, wenn die Bücherjolle so nah ist." Allerdings, und das hat er schon erfahren, gibt es gerade beim älteren Publikum eine gewisse Scheu vor E-Books, aber auch vor der Technik des Herunterladens und digitalen Bezahlens. Diese Schwellenangst will Bartelmann seinen Kunden nehmen, indem er ihnen auf Wunsch eine Art digitalen Lotsen zur Seite stellt. Ihm schwebt ein junger Mann vor, den erst noch finden und einstellen muss, der sich mit der E-Book-Readern bestens auskennt. Die Gerätschaften, verschiedene E-Book-Reader, sollen dann auch in der Bücherjolle verkauft werden. Neben moderner Technik setzt Bartelmann aber auch auf Bewährtes: Gemütlichkeit. So will er einen Art Leseecke einrichten, im Winter drinnen im Laden, im Sommer draußen, in einem geschützten Umbau, wenn die Stadt Starnberg baurechtlich mitspielt. Dort soll es dann Kaffee, Tee und ausgesuchte Weine geben, die nicht nur zum Konsum in der Bücherjolle dekantiert und gebraut werden, sondern die auch gekauft werden können. Eine kleine Weinhandlung im Buchladen sozusagen. "Ich bin schon lange ein Weinliebhaber", sagt Bartelmann, womit er wahrscheinlich ein bisschen untertreibt; er ist sicherlich ein Weinkenner. Mit diesen Plänen ist sein Elan aber noch nicht zu Ende: Mit Lesungen und anderen Veranstaltungen will er das kulturelle Leben in der Kreisstadt bereichern. Als Veranstaltungsort kann er sich nicht nur sein Geschäft, sondern bei besonderen Anlässen durchaus auch mal den kleinen Saal der Schlossberghalle vorstellen.

Als Versandbuchhändler ist Bartelmann lange Jahre erfolgreich tätig: Er beliefert rund 60 Schulen im Münchner Umland mit Schulbüchern, und er bietet ihnen auch die Verwaltungssoftware Schubux an. Schulbücher, das ist ein Saisongeschäft, vor allem vor dem Schuljahresbeginn. "Da haben wir schon mal Bücher im Wert von einer halben Million in unserem Lager liegen", sagt Bartelmann. Mit Lager meint er eine große Halle im Gewerbegebiet Schorn, die zwar jetzt der Verpackungsfirma Brenner gehört, die er aber weiter nutzen kann. Um die Schulbücher, sprich Fachbücher, werden sich weiterhin vor allem die Eltern kümmern. Vor allem Tochter Tina, eigentlich eine gelernte Logopädin, wird das Geschäft am Kirchplatz führen, dessen Personal die Bartelmanns komplett übernommen haben. Großen Wert legt das Bartelmann-Team darauf, die Stammkundschaft zu halten. Das erste Buch, so ist es ein alter Brauch, verschenkten sie an die erste Kundin im neuen Jahr: Es war der Roman "Die drei Schwestern" - und die Kundin hatte tatsächlich drei Schwestern und suchte ein Geschenk.

© SZ vom 05.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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