Starnberg:Auf der Ideallinie

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In Percha treffen sich an diesem Wochenende zum zweiten Mal Modellautofahrer aller Altersklassen. Es geht um Geschwindigkeit, Gefühl für die Strecke - und um das Gemeinsame.

Benedikt Warmbrunn

Die kleinen Autos flitzen mit großem Tempo durch die Halle. Foto: Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

- Die aktuelle Verkehrslage in Percha am Freitagvormittag kurz nach elf Uhr: Ein Wagen ist von der Strecke abgekommen, er steckt in der Wand fest. Ein anderes Fahrzeug liegt nur wenige Meter weiter auf dem eigenen Dach. Und nun rammt ein übermütiger jugendlicher Fahrer das Auto vor ihm, so dass es quer über die Fahrbahn schleudert. "Tschuldigung", murmelt der Junge, er setzt zurück, umkurvt das Auto und rast weiter.

Es werden noch so einige Unfälle an diesem Vormittag passieren, im Minutentakt, manchmal im Sekundentakt. Dann rennen schnell ein paar Jungen und auch ein paar Männer im Väteralter über die Fahrbahn, nehmen den Wagen in die Hand, ein prüfender Blick, korrektes Aufsetzen auf die Fahrbahn (Räder unten), weiter geht's. Das mit den Unfällen gehört in der Mehrzweckhalle in Percha an diesem Wochenende dazu, es gilt: Wer möglichst selten umkippt oder festklemmt, beweist hohes fahrerisches Können bei diesem Event für RC-Offroader, also für funkferngesteuerte Modellautos.

Um zehn Uhr ist die Verkehrslage noch entspannt, nur drei Männer stehen auf der kleinen Bühne, die die Halle in zwei Bereiche unterteilt. In einer Hand halten sie jeweils eine Funkfernbedienung mit einem Abzug für die Geschwindigkeit und einem Drehknopf zum Steuern. Vor ihnen, auf einer 128 Quadratmeter großen Fläche, ist schwarzer Teppichboden verlegt. Feuerwehrschläuche begrenzen die Fahrbahn, zwischen zwei Schläuchen ist stets zwei Meter Platz zum Rasen und zum Überholen. Die 70 Meter lange Strecke ist kurvig und anspruchsvoll, eine Kurve liegt am Ende einer Schrägwand, es geht über einen Kasten, über einen einfachen Sprung und über einen Doppelsprung. Die drei Autos kommen sich zu dieser frühen Uhrzeit kaum in den Weg, es gibt gelegentlich ein Überholmanöver, zu Unfällen kommt es meist durch eigene Fahrfehler.

Im Rücken der drei Piloten auf der Erhöhung ist zu dieser Uhrzeit das Gedränge größer. Immer wieder kommen Männer mit einem Rollkoffer oder einer großen Tasche in die Halle, setzen sich an einen der mit rotem Teppich beklebten Tische, packen ihr Modellauto aus, laden den Akku, schrauben rum, stellen die Stoßdämpfer ein, wählen einen Satz Reifen. Wer schon gefahren ist, wird nach ersten Rennberichten von der Strecke befragt, und wer schon gefahren ist, teilt seine Erfahrung gerne mit den Hinzugekommenen.

Für diesen Austausch, für diese Gemeinsamkeit organisiert die Modellsport-Abteilung des SC Percha das Offroader-Event. Am Freitagmittag wird zwar noch eine Zeitmessung aufgebaut, es gibt jedoch keine offiziellen Rennen. "Es soll eine Gaudi sein, ein Spaßwochenende", sagt Abteilungsleiter Johannes Gürtler. Für Kinder, sowieso. Aber auch für die Erwachsenen, die sich erst im Berufsleben das Modellauto ihrer Jugendträume leisten konnten. Frauen sind am Freitagvormittag auch in der Halle, allerdings nur als Mütter; ihre Ratschläge ("Weniger Gas!") werden von den Söhnen wirsch ignoriert.

Vor einem Jahr hatte die Abteilung erstmals ein solches Wochenende veranstaltet, mit insgesamt knapp 100 Fahrern, allein am Samstag waren es 45. Wenn an diesem Samstag (von 9.30 bis 24 Uhr) oder an diesem Sonntag (von 9.30 bis 17 Uhr) der Andrang allzu groß wird, werden mit einer Liste Renngruppen gebildet. Ansonsten darf jeder Pilot seinen Wagen auf die Fahrbahn setzen, sobald der Akku aufgeladen und es ihm persönlich danach ist.

Im Sommer trifft sich die Modellsport-Abteilung, die im Wesentlichen eine Modellauto-Abteilung ist, mindestens einmal wöchentlich am Parkplatz der Anlage des SC Percha, an ihrer Kunstrasen-Strecke, die knapp 800 Quadratmeter groß ist. Im Winter, wenn es nass ist, lässt sich der Kunstrasen aber nicht befahren, und daher hatten Gütler und sein Stellvertreter Siggi Tittes die Idee mit der Hallenveranstaltung. Da jetzt, am Ende der Schulferien, auch viele Eltern mit ihren Kindern vorbeischauen, hoffen sie zudem auf neue Mitglieder; aktuell gehören zu der Abteilung 17 Modellsportbegeisterte.

Auf der Strecke fahren mittlerweile acht Autos, Tittes beobachtet sie mit dem Blick des Fachmanns. Bis zu zwölf Mal pro Jahr tritt er bei einem Wettkampf an, er erkennt schnell, wer Hobby-Fahrer ist und wer, wie er, einen fast schon professionellen Ehrgeiz hat. Mit dem Kopf deutet er auf einen jugendlichen Piloten, auf den werde er in diesem Jahr achten. "Ein Talent erkennt man daran, wie der Fahrer die Strecke trifft, wie er sie fühlt", sagt Tittes. Der Jugendliche fährt mit einer einheitlichen Geschwindigkeit, stets auf der Ideallinie, er bremst kaum. Tittes nickt anerkennend.

Der Fahrstil in der Halle lasse übrigens keine Rückschlüsse auf den Fahrstil im Straßenverkehr zu, sagt Tittes. Wenn er selbst im Auto sitze, sagt er, "dann fahre ich wie ein echter Schnarchzapfen".

© SZ vom 05.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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