Die Wand im Flur ist gepflastert mit Urkunden: New York, Honolulu, Hamburg. Das sind nur ein paar Stationen einer Läuferin mit einer außergewöhnlichen Ausdauer. Den klassischen Marathon über 42,195 Kilometer mögen auch andere bewältigen, aber nur wenige schaffen das in dem Alter von Anita Caspari. Als 70-Jährige war die Gautingerin zuletzt bei der Deutschen Meisterschaft in Düsseldorf die schnellste in ihrer Altersklasse.
Die für den TV Planegg-Krailling startende Gautingerin hat dort die Favoritin Ursula Pithan bezwungen, die erst elf Minuten später im Ziel ankam. Anita Caspari schaffte die Langstrecke in vier Stunden und knapp sieben Minuten und holte sich damit den Titel in der Klasse AK 70. Es ist ein weiterer Sieg der schnellen Seniorin. In einem Alter, in dem andere kürzer treten und alles etwas langsamer angehen lassen, startet die Gautingerin erst richtig durch. Zu ihren größten Erfolgen zählen auch die Deutsche Meisterschaft im Triathlon oder 1995 der achte Platz beim Iron Man auf Hawaii mit etwa 1500 Teilnehmern und gut 20 Startern in ihrer Altersklasse.
Mehr als 150 Pokale hatten sich schließlich angesammelt in der mit Bauernschränken, Sofa und Sesseln gemütlich eingerichteten Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Gauting. Die Trophäen hat die Sportlerin vor zwei Jahren weggegeben; irgendwann waren es ihr einfach zu viele. "Aber es fängt schon wieder an", sagt Anita Caspari und deutet hinter sich, wo auf einem Schrank schon wieder fünf neue Pokale stehen.
Die Wettkämpfe sind nicht alles. "Das Laufen hilf mir sehr viel", sagt die Gautingerin. "Ich kann da gut abschalten und meine Gedanken sortieren. Raus in die Natur und die Luft im Wald." Zusammen mit Freunden zu laufen sei ein tolles Erlebnis. Zudem sei sie viel belastbarer; das habe sie schon gemerkt, als sie noch als Chefsekretärin arbeitete. Sportlich war sie schon immer. Sie hat mit dem Florett gefochten, später kamen Tennis und Squash. Sie war Mitte 30, als sie so richtig mit dem Laufen begann. Regelmäßig ist sie nun mit einer Gruppe, die sich "Renn-Rentner" nennt, im Forstenrieder Park unterwegs.
Wenn die durchtrainierte Sportlerin von ihren Läufen erzählt, klingt das, als wäre es nichts Besonderes. New York 3:44, Hamburg 3:42, Berlin 3:38 Stunden. Die Laufzeiten weiß sie auswendig. Sie macht wenig Aufhebens um sich und ihre Leistungen. Als wäre nichts dabei, nach 20 oder 30 Kilometern immer noch weiter zu laufen. "Klar gibt es Momente, da denke ich mir: Jetzt gehe ich mal ein paar Schritte", räumt sie ein. Im Ziel in Düsseldorf sei ihr schon schwindlig geworden, aber nach einer kleinen Massage gegen den Krampf im Bein und einer Cola sei das schnell wieder überstanden gewesen. "Ich weiß, was ich kann", sagt sie. Und das ist eine Menge.
"Schlechter als Dritte war sie nie. Nicht so weit ich mich erinnern kann", sagt ihr Mann Peter, und seine Augen leuchten. Der Stolz auf die Leistungen seiner Frau ist unübersehbar. Der 83-Jährige ist selbst gerne viel gelaufen, wegen gesundheitlicher Probleme mit Herz und Knie muss er mittlerweile jedoch kürzer treten. Umso mehr freut er sich über die Erfolge seiner Frau. Er bereitet die Reisen zu Wettkämpfen vor, fiebert mit, wenn sie auf der Strecke ist, feiert ihre Siege, ist enttäuscht, wenn es mal nicht so gut klappt. "Mein Mann treibt mich", scherzt Anita Caspari, um dann ernst gemeint hinzuzufügen: "Da braucht man schon Unterstützung, sonst geht das nicht."
Am kommenden Montag wird sie 71 Jahre alt, und sie macht nicht den Eindruck, als würde sie langsamer machen. Auf dem Tisch liegt ein Zettel mit den Terminen für eine Laufserie im Oberland, zu der auch der Blomberglauf und der Gaißacher Waldlauf gehören. "Man darf es nicht übertreiben", sagt Anita Caspari, aber bei der Oberland-Challenge wäre sie schon gerne wieder dabei.