Sozialpolitischer Aschermittwoch:Reich und gesund, arm und krank

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Gesundheitsexpertinnen unter sich: die SPD-Landtagsabgeordnete Kathrin Sonnenholzner (links) und die Autorin Marianne Koch. (Foto: Georgine Treybal)

Marianne Koch und Kathrin Sonnenholzner diskutieren in Tutzing über den Zusammenhang zwischen Einkommen, Bildung und Wohlbefinden

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Einkommen, Bildung und Gesundheit? Macht Armut krank? Zum Thema "Gesundheit - nur für Wohlhabende" diskutierte die Ärztin, Moderatorin, Autorin und ehemalige Schauspielerin Marianne Koch mit der Ärztin, SPD-Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit und Pflege, Kathrin Sonnenholzner, auf Einladung der Arbeiterwohlfahrt Oberbayern am Mittwoch in der Akademie für politischen Bildung in Tutzing.

Dass hohes Einkommen auch mit guter Gesundheit einhergeht, zeigte Kathrin Sonnenholzner am Beispiel Starnberg auf. Die Bürger im Landkreis haben deutschlandweit nicht nur das höchste Einkommen, sie haben auch die höchste Lebenserwartung. Arme Menschen indes nehmen laut Statistik die Angebote zur Gesundheitsvorsorge weniger in Anspruch. Sie rauchen mehr, haben einen höheren Alkoholverbrauch und betreiben weniger Sport. Ärmere Menschen nehmen weniger Medikamente, weil sie sich die Rezept-Zuzahlung nicht leisten können. Zudem haben sie Schwierigkeiten, gesundheitsbewusstes Verhalten umzusetzen. Ein Grund ist, dass Ärzte oft nicht entsprechend beraten. "Die sprechende Medizin kommt viel zu kurz, weil sie nicht honoriert wird", stellte Marianne Koch fest. Daher seien die Möglichkeiten der Ärzte begrenzt, sich um Arme zu kümmern, indem sie zuhören. Wie Koch erläuterte, leiden Armutsfamilien stärker unter Isolierung und seien daher häufiger psychisch krank. Auch beim Thema gesunde Ernährung liege vieles im Argen. Koch bedauerte, dass die diskutierte Staffelung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel mit hohem Fett- oder Zuckergehalt nicht umgesetzt wird. Wie Untersuchungen ergaben, wird in armen Familien wenig gekocht. Meist werden Fertigprodukte von schlechter Qualität verzehrt. Was nicht verwunderlich sei, so lange Hartz IV-Empfänger für ihre Kinder einen Lebensmittel-Tagessatz von 3,99 Euro bekommen, sagte Sonnenholzner. Sie forderte daher Ernährungsschulung in Kindergärten und Schulen. Darüber hinaus müssten finanzielle Anreize für gesunde Lebensmittel geschaffen und Lebensmittelwerbung für Kinder generell verboten werden. Koch schlug vor, dass für Kinder von ärmeren Familien Sport-Patenschaften angeboten werden. Sonnenholzner zeigte sich skeptisch. Die Pflichten des Staates könnten nicht durch Ehrenamtlichkeit ersetzt werden. Den Vorwurf einer Zwei-Klassen-Medizin ließ sie jedoch nicht gelten. Würden sich nicht so viele "gesunde Kranke" in den Arztpraxen aufhalten, gäbe es keine Wartezeiten.

Besucher kritisierten, dass Ärzte nicht mehr das Engagement und die Einsatzbereitschaft hätten wie früher. Zudem müsse rund 30 Prozent der ärztlichen Tätigkeit für die Dokumentation aufgewendet werden. Es gebe keinen Ärztemangel, sondern nur einen Zeitmangel, meinte ein Besucher. Laut Koch müsste der Beruf des Kranken- und Altenpflegers deutlich aufgewertet werden. "Sie werden nicht wertgeschätzt und nicht ausreichend bezahlt", sagte sie. Sonnenholzners Fazit: Die Politik könne zwar Anreize schaffen, sie schaffe es aber nicht alleine. "Es braucht auch die Gesellschaft."

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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